Jan Wouters / Eva Brems / Stefaan Smis /Pierre Schmitt (eds.): Accountability for Human Rights Violations by International Organisations

2. März 2011 | Von | Kategorie: Rezensionen

Jan Wouters / Eva Brems / Stefaan Smis /Pierre Schmitt (eds.): Accountability for Human Rights Violations by International Organisations, Antwerpen/Oxford/Portland (Intersentia) 2010

Die Bilder sind noch in guter Erinnerung: Im Juli 1995 eroberten bosnisch-serbische Truppen die kleine Stadt Srebrenica, trennten Frauen und Kinder von den Männern und verschleppten in Bussen rund 7600 Männer, die sämtlich ermordet wurden. Dieses größte Verbrechen gegen die Menschheit in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg schockierte die Welt, genauso aber die auf den Bildern ebenfalls zu beobachtende Tatsache, dass UNO-Friedenstruppen taten- und/oder machtlos zusahen. Welche Handlungsmöglichkeiten die UNO-Truppe damals hatte, und damit welche Verantwortung sie zu tragen hatte, darüber wurde und wird gestritten, vor Gericht, innerhalb der Vereinten Nationen und in der Öffentlichkeit. Dabei geht es um juristische und politische Verantwortung, aber auch um ethische Dimensionen. Angehörige der Opfer von Srebrenica versuchten, die beteiligten UN-Militärs wegen ihrer Untätigkeit vor Gericht zu bringen – in Holland, da es sich um ein niederländisches Kontingent handelte. Doch der Rechtsweg blieb ihnen vorerst versperrt. Die Gerichte urteilten, dass die holländische Regierung keine Verantwortung trüge, sondern die UN. Diese aber genössen Immunität. Im Hintergrund steht somit eine völkerrechtliche Frage, die relativ neu ist, mit der zunehmenden Bedeutung von internationalen Organisationen aber nach einer Antwort verlangt: Nach welchen rechtlichen Normen sind internationale Organisationen bzw. ihre personalen Repräsentanten eigentlich rechenschaftspflichtig? Das klassische Völkerrecht hatte darauf kaum Antworten, weil es die Rechte von Staaten untereinander und in jüngerer Zeit die Rechte von Menschen gegenüber Staaten im Blick hat.

Dies ist nur eines von vielen Problemen, die in Accountability for Human Rights Violations by International Organisations angesprochen werden. Der umfangreiche Band enthält weitere Beiträge zur Verantwortlichkeit im Rahmen von Friedensoperationen und humanitärer Hilfe, bei der in jüngster Zeit wieder häufiger vorkommenden Gebietsverwaltung durch die Vereinten Nationen, und nicht zuletzt zur menschenrechtlichen Verantwortlichkeit des Handelns von internationalen Wirtschafts- und Finanzorganisationen wie der Weltbank, dem IWF, der WTO und den Entwicklungsagenturen. Ungeklärt sind in vieler Hinsicht auch die Rechte der Bediensteten dieser internationalen Organisationen gegenüber ihren Arbeitgebern. Im allgemeinen Teil des Bandes stellen verschiedene Autoren völkerrechtliche Ansätze dar, wie die mit dem Handeln der internationalen Organisationen verbundenen Rechtsfragen zu verstehen und künftig zu lösen wären. Ansätze existieren auf einigen Feldern, aber sie sind Flickwerk. Wie eine Verantwortlichkeit internationaler – oder besser zwischenstaatlicher – Organisationen grundsätzlich institutionell organisiert werden könnte, darüber bietet der vorliegende Band wenig Perspektiven. Schade, dass z.B. die von Manfred Nowak in den letzten Jahren mehrfach vorgetragene Idee eines internationalen Menschenrechtsgerichtshofs, den er u.a. im Blick auf diese Verantwortlichkeitslücke als geeignetes Instrument sieht, von keinem Autor des Buches diskutiert wird. Dennoch ist es zu begrüßen, dass hier erstmals ein Problem aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchtet wird, das mit Sicherheit in den nächsten Jahren an Bedeutung und vielleicht auch Brisanz gewinnen wird.

von Rainer Huhle

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