Cherif Bassiouni: The Institutionalization of Torture by the Bush Administration – Is Anyone Responsible?

2. März 2011 | Von | Kategorie: Rezensionen

Cherif Bassiouni: The Institutionalization of Torture by the Bush Administration – Is Anyone Responsible?, Mortsel (Intersentia) 2010

Cherif Bassiouni ist einer der anerkanntesten Experten auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts. Seine Bücher über Verbrechen gegen die Menschheit, den Kampf gegen die Straflosigkeit oder universelle Gerichtsbarkeit sind Standardwerke in aller Welt. Er war aktiv an der Gründung sowohl des Jugoslawiengerichtshofs als auch des Internationalen Strafgerichtshofs beteiligt. Auch an der Erarbeitung der UN-Konvention gegen die Folter hatte er großen Anteil. Umso erfreulicher, dass der amerikanische Rechtsprofessor mit ägyptischen Wurzeln in seinem neuen Buch sich nicht nur von seiner gelehrsamen Seite – das auch! – zeigt, sondern in beißender Deutlichkeit der US-Regierung und vor allem auch ihren juristischen Beratern die ebenso unethischen wie rechtsbeugenden Maßnahmen vorhält, mit denen sie Folter und andere Verbrechen rechtfertigten. Den Hauptteil des Buches macht eine umfassende Bestandsaufnahme der Folterpraktiken – über 100 Personen starben unter der Folter – und der politischen, administrativen und juristischen Vorgehensweisen aus, mit denen sie unter der Bush-Regierung zur ständigen Praxis wurden. Ein besonderes Kapitel geht dabei auch detailliert auf die sogenannten „Extraordinary renditions“ ein, mit denen Verdächtige durch Überstellung an ausländische um jede Chance rechtlichen Beistands gebracht wurden. Dabei zerpflückt Bassiouni auch gründlich einen der beliebtesten Rechtfertigungsgründe für die illegalen Praktiken, dass nämlich die US-Verfassung außerhalb des Landes, also z.B. in Guantánamo, nicht gelte. Im letzten Kapitel hält Bassiouni dann den Verantwortlichen in der nüchternen Sprache des Juristen, aber ohne jede Verklausulierung den Spiegel vor. Auf keiner Ebene sei in irgendeiner bedeutungsvollen Weise Rechenschaft über diese Verbrechen gelegt worden. „Das Ergebnis ist, dass die USA den Test ihrer politischen, ethischen und strafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht bestanden haben, die die Verfassung und die Gesetze des Landes verlangen.“ Auf der Basis nicht von politischen Vorurteilen, sondern einer umfassenden Bestandsaufnahme der Fakten will Bassiouni, dass die Verantwortlichen für diese Rechtsverstöße vor Gericht gestellt werden – und dort die rechtsstaatlichen Garantien haben, die sie anderen verweigerten. Andernfalls gebe Amerika eine Beispiel dafür, dass das Gesetz eben doch nicht für Alle gelte, wo doch die Gleichheit vor dem Gesetz und die Rule of Law zum ehernen Selbstverständnis der politischen Kultur der USA gehöre. Bei der Frage, in wie weit die Regierung Obama zur Aufklärung oder gar Ahndung der Verbrechen aus der Bushregierung beigetragen hat, kommt Bassiouni zu äußerst ernüchternden Ergebnissen. Offenbar gilt weiterhin das Primat politischer Interessen über die Geltung des Rechts, so sein Fazit. Bassiouni appelliert daher auch an die Zivilgesellschaft, insbesondere die Standesorganisationen, aber auch die Justiz selbst, diese Mauer des Beschweigens zu durchbrechen. Ein überfälliges und ein mutiges Buch.

von Rainer Huhle

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