Carlos P. Romulo (1899 – 1985) Philippinen

8. September 2008 | Von | Kategorie: Biographien

von Rainer Huhle 

Carlos_Romulo

Carlos P. Romulo unterzeichnet die UN-Charta

Carlos Romulo war ohne Zweifel eine der schillerndsten Persönlichkeiten unter den vielen Individualisten, die in den Anfangsjahren als Diplomaten bei den Vereinten Nationen aktiv waren. Er vertrat dort sein Heimatland Philippinen, und damit eines der beiden Gründungsmitglieder der UNO, das noch gar kein selbständiger Staat war (das andere Land war Indien). Seine Lebensgeschichte und seine politischen Einstellungen spiegeln bisweilen drastisch den Zwiespalt, in dem sich die Intellektuellen der später so genannten „Dritten Welt“ in ihrem Bemühen um nationale Unabhängigkeit und eine neue Weltordnung einerseits und der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit von den Kolonialmächten befanden.

Im Fall der Philippinen war die Kolonialmacht die USA, die das Inselreich Ende des 19. Jahrhunderts den Spaniern entrissen und unter ihre eigene Herrschaft gestellt hatten. Carlos Romulos Vater hatte noch im Guerillakrieg gegen die amerikanischen Besetzer gekämpft, Carlos selbst brachte es während des Zweiten Weltkriegs zum General -in der US-Armee unter General McArthur. Angesichts der brutalen japanischen Invasion und Besetzung waren die USA auch für die meisten nationalistischen Filipinos das kleinere Übel. Vor seiner militärischen Karriere hatte Romulo in den Philippinen und den USA studiert und war als Journalist so erfolgreich, dass er 1941 sogar den Pulitzerpreis erhielt. 1944 wurde er der sogenannte „resident commissioner“, der oberste Repräsentant des „Philippine Commonwealth“ bei der Kolonialmacht USA, und als solcher sogar Mitglied des US-Kongresses. In dieser Funktion war er führend an den Verhandlungen um die im Juli 1946 dann erreichte staatliche Unabhängigkeit der Philippinen beteiligt und leitete die philippinische Delegation auf der Gründungskonferenz der UNO in San Francisco im April 1945.

Dort wurde Romulo schnell zu einem der wortreichsten Sprecher der „kleinen Staaten“ und Anwalt für die Unabhängigkeit der Kolonialgebiete. Das machte ihn bei etlichen europäischen Mächten unbeliebt, zumal der kleine Mann aus Manila, der sich selbst gern als „David unter Goliaths“ bezeichnete, große Hartnäckigkeit und Geschick im diplomatischen Spiel bewies und schließlich tatsächlich erreichte, dass die Vokabel „Unabhängigkeit“ wenigstens an hinterer Stelle in der Charta auftauchte. Ebenso entschlossen kämpfte er, zusammen mit der Mehrzahl der Teilnehmer, gegen das Vetorecht der Großmächte im Sicherheitsrat, gab diesen Kampf aber auf, als ihm der amerikanische Chefdelegierte erklärte, es werde entweder einen Sicherheitsrat mit Vetorecht oder eine UNO ohne die USA geben. Den USA fühlte sich Romulo durch die bevorstehende Unabhängigkeit seiner Heimat, die gemeinsamen Kriegsjahre und auch einen entschiedenen Antikommunismus stark verbunden, ihre tragende Rolle bei der UNO-Gründung hat er immer akzeptiert und anerkannt.

Das hinderte ihn nicht, z.B. den verbreiteten Rassismus im Land, unter dem er auch persönlich gelegentlich zu leiden hatte, zu kritisieren. Romulo war Mitglied der achtzehnköpfigen Menschenrechtskommission, der die Ausarbeitung der Allgemeinen Erklärung oblag. Als es dort um den Kampf gegen rassistische Diskriminierung ging, teilte er der amerikanischen Delegationsleiterin Eleanor Roosevelt, mit der er gut befreundet war, höflich mit, dass er diesmal mit der sowjetischen Delegation stimmen werde, gegen die Versuche der USA, das Thema herunterzuspielen. In seiner Rede während der Schlussdebatte in der Generalversammlung am 9. Dezember 1948 betonte Romulo alle die vorwärts weisenden Elemente, die die Allgemeine Erklärung zu einem wahrhaft universellen Dokument machten wie die Aufnahme der wirtschaftlichen und sozialen Rechte, aber auch die Notwendigkeit, sie bald durch einen verbindlichen Vertrag und durch Überwachungsinstrumente zu ergänzen.

Mehr Zeit noch als in der Menschenrechtskommission verbrachte Romulo parallel dazu als wesentlicher Initiator und dann auch Präsident der UN-Konferenz über Informationsfreiheit im März und April 1948. Diesem heute auf der UN-Agenda eher in den Hintergrund gedrängten Thema widmete die UNO in den Anfangsjahren viel Zeit und Energie. Die Menschenrechtskommission hatte eine eigene Unterkommission für Informationsfreiheit gegründet, die diese Konferenz vorbereitete. Auf ihr wurde nicht nur die Auseinandersetzung um das Verständnis von Informations-und Meinungsfreiheit zwischen dem Ostblock und dem Westen, vor allem den USA ausgetragen. Einen wesentlichen Punkt brachten mit großem Nachdruck auch die Vertreter der „Dritten Welt“ ein: sie wollten die monopolartige Informationspolitik der großen weltweit operierenden Nachrichtenagenturen der westlichen Länder aufbrechen, Instrumente schaffen, um notfalls Gegendarstellungen zu erzwingen und auch gewisse inhaltliche Schranken setzen, beispielsweise Kriegshetze unterbinden. Romulo bezeichnete, als Präsident der Konferenz, ihre Ergebnisse als die „künftige Magna Charta“ der Meinungsfreiheit. Doch in Wirklichkeit gingen die Meinungen der Teilnehmer zu weit auseinander, die Ergebnisse wurden noch einige Jahre in der UNO weiter diskutiert, hatten aber keine nachhaltige Wirkung.

Den Höhepunkt von Romulos Karriere in den Vereinten Nationen bildete seine Wahl zum Präsidenten der Vierten Generalversammlung 1949. In den fünfziger Jahren war er erneut Botschafter in den USA. Anfang der sechziger Jahre kehrte er in die Philippinen zurück, wo er zunächst die Leitung der Universität von Manila übernahm, dann noch das Erziehungsministerium, das er auch nach der Wahl 1965 von Ferdinand Marcos zum Präsidenten weiterführte. Unter dem Regime des Diktators war er anschließend von 1969 bis 1983 sogar Außenminister und trug damit u.a. die amerikanische Vietnampolitik mit. Erst die Ermordung des bekannten Oppositionspolitikers Benigno Aquino 1983 bewog Romulo zum Rücktritt und zu einer Distanzierung von der Diktatur in seinen letzten Lebensmonaten. Carlos Romulo war nicht der einzige, der sich nach dem Weltkrieg aktiv und überzeugt für die Verankerung der Menschenrechte einsetzte und später politisch ganz anders handelte.

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