So teuer wie ein Büro in Spitzenlage: menschenunwürdige 2qm in Hongkong

2. März 2012 | Von | Kategorie: Soziale Menschenrechte

Ein Vortragsabend mit Lai Chan Sze (SoCO)

von Eva Posch

cage-kleinAm 27. Februar 2012 hielt Frau Lai Chan Sze, Sozialarbeiterin bei der Society for Community Organization (SoCO) Hongkong, in den Räumen der Katholischen Stadtkirche „Fenster zur Welt“ einen Vortrag über die so genannten „Käfigmenschen“. Dieser Vortrag bildete den Abschluss der viel besuchten Ausstellung „Daheim auf 2 qm – Vom Leben im Käfig“. Die Veranstaltung des Kooperationsprojektes zwischen dem Referat Weltkirche Eichstätt und Bamberg, dem Caritas-Prickheimer-Haus und dem NMRZ erreichte erneut eine Vielzahl an Interessenten.

Um ermessen zu können, was das Leben im Käfig bedeutet, stellen Sie sich bitte Folgendes vor: Sie treten in einen Raum ohne Tür, können einen Ausfallschritt nach rechts oder links machen und maximal zwei Schritte nach vorn. Das ist Ihr Zuhause – Schlaf- und Wohnzimmer, Flur, Keller – und, je nach Größe des Raumes, auch das Zuhause von weiteren Menschen und unzähligen Flöhen. Die Küche ist eine Herdplatte, wenn überhaupt vorhanden, und ihr „Bad“ teilen Sie sich zu Zehnt oder mehr. Hongkong steht auf dem Spitzenplatz des Pro-Kopf-Bruttoinlandsproduktes der Regionen der Volksrepublik China, ist einer der wichtigsten Welthandelsplätze und damit die chinesische Vorzeigestadt schlechthin. Dass schätzungsweise 100.000 Menschen, davon 20.000 Kinder, der etwas über sieben Millionen Einwohner in den oben beschriebenen Verhältnissen leben müssen, berichtete Frau Lai Chan Sze im Rahmen des Vortrags. Mit einem Video leitete sie ihren Vortragsabend ein und zeigte Szenen aus dem Leben der „Käfigmenschen“, die durch ihre Aktualität das Elend der Menschen unterstrichen.

Bis in die 1980er Jahre hinein durften auf dem Stadtterritorium der Sonderverwaltungszone Hongkong Hütten als Wohnraum gebaut werden. Das Verbot dieser Hütten lenkte den wachsenden Zustrom, vor allem von zumeist ärmeren Landbewohnern, Studenten und Immigranten in Hochhäuser und Industriebrachen verschiedener Stadtbezirke – Kowloon Peninsula ist nur einer, aber der bekannteste davon. Damit verschwanden sie aus dem Blickfeld dieser prosperierenden Stadt und gerieten in die Arme von Vermietern, die in einer Stadt mit nach oben nahezu offenen Mietspiegeln selbst die kleinste und elendigste Behausung leicht und teuer vermieten können. Zwar bietet die Hongkong in begrenztem Umfang Sozialwohnungen an, aber um die langen Wartezeiten und unzähligen Verwaltungsregeln zu überbrücken, bleibt den neu Hinzugezogenen die Station der beengten Wohnräume kaum erspart. Dazu müssen sie in diesen Unterkünften Mieten zahlen, welche gut und gerne auf dem Niveau eines Büros in bester Lage liegen. Ein Quadratmeter in einer dieser Käfige kostet umgerechnet circa 83,75 Euro im Monat. Bei 126 Euro sozialer Unterstützung und sehr niedrig bezahlten Jobs bleibt am Ende nicht mehr viel übrig. Die schlechten und zumeist unhygienischen Lebensumstände, mangelnde Belüftung und Privatsphäre, sowie die Flöhe führen zudem zu einer überhöhten Anzahl von Tuberkulosefällen und mentalen Krankheiten unter den Bewohnern.

Seit 1995 setzt sich Frau Lai Chan Sze mit der 1972 gegründeten Society for Community Organization (SoCO) für alle Menschen in Hongkong ein, die in den 2qm großen Käfigen, aber auch kleinen, in Industriebrachen gelegenen und zumeist heruntergekommenen Wohnungen, leben. Die Organisation vertritt dabei die Interessen der Bewohner und betreibt nationale wie internationale Aufklärungsarbeit, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Die individuelle Betreuung steht dabei genauso im Vordergrund wie die Betreuung ganzer Gruppen. Ferner werden die Bewohner solcher Quartiere darin bestärkt, ihre (Menschen-)Rechte durch Petitionen und Demonstrationen gegenüber dem Chief Executive – dem Bürgermeister der Stadt Hongkongs – und der chinesischen Regierung zu artikulieren. 1.500 Ehrenamtliche und 15 Festangestellte arbeiten vor Ort, im Gemeinschaftzentrum der Organisation oder beteiligen sich an der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsarbeit. Dazu zählen sowohl LehrerInnen, die Hausaufgaben- und Nachhilfeaufgaben übernehmen sowie Juristen, die sich pro bono um rechtliche Schritte zur Verbesserung der Situation einsetzen. Dank der Arbeit der Organisation können seit 1986 Alleinstehende und seit 1999 Immigranten eine Sozialwohnung beantragen – dies war vorher undenkbar. Jedoch betonte Frau Lai Chan Sze auch, dass die Arbeit noch lange nicht angeschlossen sei. Viele der privilegierten Einwohner Hongkongs wissen nicht um die Existenz der „Cage People“ und die Regierung zeigt kaum Interesse an rechtlichen Verbesserungen.

Society for Community Organization/ Hongkong (Chinesisch, Englisch): Link
Informationen zur Projektpartnerschaft von Misereor – SoCO: Link

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