Wider die Straflosigkeit

21. Juni 2017 | Von | Kategorie: Aktuelles

von Rebecca Kleine Möllhoff

Am 19. Juni 2017 veranstaltete die Elisabeth Käsemann Stiftung gemeinsam mit der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien, dem Centre for Human Rights Erlangen-Nürnberg (der Universität Erlangen-Nürnberg) sowie dem Nürnberger Menschenrechtszentrum das 1. Elisabeth-Käsemann-Symposium zum Thema „Internationale Strafverfolgung staatlicher Verbrechen in Deutschland und Lateinamerika: 1933 – 1976 – heute“.

Prof. Dr. Daniel Rafecas, Vorsitzender Richter des Bundesgerichts Nr. 3 in Buenos Aires, präsentierte eine Gesamtübersicht über die zahlreichen schweren Menschenrechtsverbrechen, die während der jüngsten Militärdiktatur (1976-1983) in Argentinien begannen worden waren. Vor allem aus politischen Gründen verschleppte, folterte und ermordete das damalige Militärregime seinerzeit Menschen und ließ diese dann „verschwinden“, indem sie etwa von Flugzeugen aus ins Meer geworfen wurden. Etwa 30.000 Menschen verschwanden zu dieser Zeit. Der Richter zeigte auf, wie nach der anfänglichen Verurteilung einiger hochrangiger Militärs zu Beginn der Demokratisierung über „Schlusspunktgesetze“ und Gnadenerlasse zwischen 1986 und 2001 eine Mauer der Straflosigkeit (impunidad) errichtet wurde. Die Mauer wurde durch Verfahren in Madrid, Rom, Paris und Nürnberg später durchlässiger. Sie gingen gegen die argentinischen Verantwortlichen für die Ermordung spanischer, italienischer, französischer und deutscher Staatbürger und Staatsbürgerinnen, unter ihnen auch die Deutsche Elisabeth Käsemann, vor. Das Oberste Gericht in Argentinien machte 2005 dann den Weg frei für die strafrechtliche Verfolgung der Täter im eigenen Land – die bis heute anhält.

In der anschließenden, von Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel moderierten Podiumsdiskussion setzten sich Prof. Dr. Daniel Rafecas,  Dr. Rosario Figari Layús, Leitender Oberstaatsanwalt Jens Rommel und Prof. Dr. Christoph Safferling mit der Bedeutung der internationalen Strafgerichtsbarkeit in Argentinien und Deutschland auseinander. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede wiesen die Menschenrechtsverbrechen und ihre strafrechtliche Verfolgung in beiden Ländern auf? Welche Rolle spiel(t)en die Zivilgesellschaft, Institutionen und die länderübergreifende Zusammenarbeit bei der internationalen Strafverfolgung? Wurden die Erwartungen der Opfer erfüllt? Diese und weitere Fragen zeigten vorhandene Probleme auf, die von mangelnden Beweisen, über die Einstellung der Gerichtsverfahren bis hin zur Stigmatisierung und Bedrohung der Opfer reichen – und belegen, dass das System der internationalen Strafjustiz noch nicht ausgereift ist. Dennoch ist die internationale Strafverfolgung nicht nur für die Opfer, sondern auch für die betroffenen Gesellschaften von großer Bedeutung, da sie sich einbetten in die übergreifende Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.

 

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