Rechtspopulismus – eine Begriffserklärung

8. Oktober 2018 | Von | Kategorie: Menschenrechtsbildung

von Alice Speck

(Artikel hier auch als PDF nachlesbar)

Was ist Populismus?

Eine eindeutige Definition von Populismus gibt es nicht, ebenso gibt es nicht „den einen“ Populismus, sondern viele verschiedene Formen. Es handelt sich vielmehr um einen Politikstil und nicht um eine Ideologie im klassischen Sinn. Abgeleitet ist der Begriff vom lateinischen Wort „populus“ = Volk. Per se ist Populismus auch nicht negativ, gleichwohl diese Komponente stärker in den öffentlichen Fokus gerückt wird. Das kritische Auseinandersetzen mit etablierten (staatlichen) Institutionen, die Forderung nach mehr direktdemokratischer Mitbestimmung sowie eine volksnahe Politik, die sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert und diese öffentlich artikuliert, ist essentiell für eine Demokratie. Kritisch ist jedoch die radikale Übersteigerung dieser Forderungen, wie beispielsweise die grundlegende Infragestellung staatlicher Institutionen und gesellschaftlicher Werte sowie der Behauptung, „den einen“ Willen des Volkes zu kennen. Wie lässt sich also bestimmen, ob eine Partei, eine Gruppierung oder eine soziale Bewegung „populistisch“ ist?

Foto: Felix Krauß

Welche Merkmale definieren populistische Parteien / Gruppierungen?

Im Mittelpunkt dieser Parteien / Gruppierungen steht das Volk als Einheit im Gegensatz zu den etablierten (staatlichen) Institutionen. Meist verstehen sich Populisten als „Anwalt des kleinen Mannes“, der „den“ Willen des Volkes kennt und ihn gegen „die da oben“ (Anti-Establishment) verteidigt. Interessensgegensätze innerhalb der Bevölkerung werden hierbei ausgeblendet. Ein weiteres Merkmal ist die Abgrenzung gegenüber anderen sozialen Gruppen. So werden bestimmte Minderheiten von der Gemeinschaft ausgeschlossen und für bestehende Missstände verantwortlich gemacht. Durch diese Konstruktion von Feindbildern soll das Gefühl von Identität gestärkt werden. Oftmals wird hierbei auf Bilder einer idealisierten Vergangenheit zurückgegriffen, die es zu bewahren und verteidigen gilt. Gemeinsam haben populistische Parteien / Gruppierungen meist, dass eine charismatische Führungsfigur an ihrer Spitze steht und dass sie sich selbst als Bewegung verstehen, was sich häufig im Namen dieser „Parteien“ (Lega Nord, Front National, Wahre Finnen, Alternative für Deutschland) widerspiegelt.

                

Wie unterscheiden sich Rechts- und Linkspopulismus?

Populismus ist kein genuin „rechtes“ oder „linkes“ Phänomen, sondern findet sich in allen politischen Richtungen wieder. Rechtspopulismus geht meist mit Fremdenfeindlichkeit einher. Betont wird hierbei der Ausschluss von religiösen und ethnischen Minderheiten, Homosexuellen und Menschen mit Behinderung. Linkspopulismus stellt meist die Kritik an großen (internationalen) Wirtschaftskonzernen und die negativen Folgen der Globalisierung in den Fokus. Gemein ist beiden die Ablehnung internationaler Institutionen wie beispielsweise der EU.

 

Wie unterscheiden sich populistische und extremistische Parteien?

Eine klare Abgrenzung zwischen populistischen und extremistischen Parteien ist schwierig. Am Beispiel des Rechtspopulismus lässt sich erkennen, dass etliche rechtspopulistische Parteien rechtsextremistische Tendenzen aufweisen, wie beispielsweise Antisemitismus, eine Verherrlichung des NS-Regimes, die Leugnung des Holocaust sowie das Ziel der Errichtung eines autoritären oder gar totalitären Regimes. Kennzeichnend ist zudem das Vorhandensein paramilitärischer Strukturen. Oftmals vermischen sich auch rechtspopulistische mit rechtsextremistischen Gruppierungen. Beispielsweise liegen die Wurzeln der Schwedendemokraten (Sverigedemokraterna), welche seit der Parlamentswahl Anfang September 2018 als drittstärkste Kraft im Riksdagen vertreten sind, in der rechtsextremen Bewegung „Bewahrt Schweden schwedisch“ (Bevara Sverige Svenskt, BSS), die sich Ende der 1970er Jahre in faschistischen und nationalistischen Kreisen gründete.

 

Welche rechtspopulistischen Parteien gibt es in Europa?

Eine Übersicht zu rechtspopulistischen Parteien in Europa findet sich unter:
https://www.arte.tv/de/videos/084576-000-A/ueberblick-rechtsextreme-parteien-in-europa/

 

Gefährdet Rechtspopulismus die Menschenrechte?

Aktuell sind es vor allem rechtspopulistische Parteien, die in Europa Aufwind haben. Viele dieser Parteien scheinen sich den Problemen der Bevölkerung anzunehmen und behaupten selbst, „den“ Willen des Volkes zu repräsentieren und dessen Meinung kund zu tun. Auf den ersten Blick erscheint dies urdemokratisch und vollkommen legitim im Sinne der Meinungsfreiheit. Auffallend ist allerdings, dass es meist nicht bei einer sachlich fundierten Kritik und einer Artikulation verbreiteter Meinungen bleibt, sondern Ängste geschürt werden und bestimmte gesellschaftliche Gruppen angegriffen werden. Durch das bewusste öffentliche Herabwürdigen bestimmter Minderheiten, wie beispielsweise Migranten oder Homosexuelle, werden die Grundpfeiler einer freiheitlichen, demokratischen und menschenrechtsbasierten Grundordnung, nämlich Toleranz, Respekt und Menschenwürde, angegriffen. Ebenso werden Institutionen grundlegend Infrage gestellt, welche für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich sind. Und zuletzt ist der Ausruf, „den Willen des Volkes“ zu vertreten, in sich ein Angriff auf die Menschenrechte selbst. Denn „den einen“ Willen des Volkes kann es in einer pluralistischen Gesellschaft nicht geben. Zu unterschiedlich sind Meinungen und Bedürfnisse, so dass eine einzige Partei gewiss nicht „den einen“ Willen vertreten kann und dies letztlich die Meinungsfreiheit eines jeden einzelnen infrage stellt. Beispiele für Länder, in denen populistische Parteien die Regierung stellen oder daran beteiligt sind, sind Polen, Österreich und Ungarn. Auch die US-Regierung unter Trump bedient sich populistischer Mittel. Seit dem Amtsantritt der rechtspopulistischen PiS-Partei im November 2015 in Polen hat sich die Lage für Asylsuchende, LGBTIQ*-Personen und andere Minderheiten dort massiv verschlechtert. Verbale Übergriffe auf diese Minderheiten – auch seitens der Regierung – finden regelmäßig statt. Auch in Ungarn werden von Seiten der Regierung unter Präsident Orbán Flüchtlinge und Asylsuchende für die Probleme des Landes verantwortlich gemacht.

 

Quellen:

Hartleb, Florian (2011): Nach ihrer Etablierung – Rechtspopulistische Parteien in Europa, Begriffe – Strategie – Wirkung, online unter: http://www.kas.de/wf/de/33.22741/ (25.09.2018).

Humanrights.ch (2018): Länderinformation, Menschenrechte in Polen, Online unter: https://www.humanrights.ch/de/service/laenderinfos/polen/ (06.10.2018).

Nandlinger, Gabriele (2008): Dossier Rechtsextremismus, Wann spricht man von Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus oder Neonazismus….?, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41312/was-ist-rechtsextrem?p=all (25.09.2018).

Spier, Tim (2014): Was versteht man unter „Populismus“, online unter: http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/192118/was-versteht-man-unter-populismus (25.09.2018).

Vehrkamp, Robert / Wratil, Christopher (2017): Die Stunde der Populisten? Populistische Einstellungen bei Wählern und Nichtwählern vor der Bundestagswahl 2017, online unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/ZD_Studie_Populismus_DE.pdf (25.09.2018).

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