Besuch aus der Kinderrepublik Benposta

17. August 2008 | Von | Kategorie: Aktuelles

von Christine Burmann  und  Naim Balikavlayan, August 2008

Zum Begleitprogramm des 2. Nürnberger Friedenslaufs

Endlich ist es soweit: Nach der rund einjährigen Vorbereitungszeit des 2. Nürnberger Friedenslaufs konnte nun das Begleitprogramm mit zahlreichen Veranstaltungen rund um die Themen ‘Ziviler Friedensdienst’, ‘Gewaltfreie Konfliktbearbeitung’ & ‘Menschenrechte’ starten. Das Begleitprogramm richtet sich sowohl in Schulveranstalungen direkt an Schülerinnen und Schüler, als auch in Abendveranstaltungen an die interessierte Öffentlichkeit. Den Auftakt unserer Veranstaltungsreihe bildete das Konzert der Jugendlichen aus der Kinderrepublik Benposta in Bogotá. Insgesamt 15 VertreterInnen von Benposta aus der kolumbianischen Hauptstadt brachten uns im Laufe ihres Besuches zum Ausdruck, welche Bedeutung für sie der Frieden trägt.

Musikalische Darbietung im EcksteinNürnberg in einer Zeit, in welcher der gesellschaftliche Frieden in Spanien überschattet wurde von der Militärdiktatur unter General Francisco Franco, war es der galizische Priester Jesus C. Silva Mendez, der Akzente für den Frieden setzen wollte. 1957 gründete er deswegen einen Zirkus aus 15 Jugendlichen, im Spanischen Circo de los Muchachos, welcher im Laufe seiner Veranstaltungen die Zuschauer ihre Alltagsprobleme vergessen lassen wollte. Der hiermit verbundene Erfolg übertrug sich auch nach Kolumbien, wo in den frühen Siebzigern der Circo de los Muchachos zum ersten Mal auftrat. Ein Erfolg besonders deswegen, weil die Zuschauer die Möglichkeit bekamen, zu sehen und zu begreifen, was die Botschaft der Zirkusgemeinschaft war: Den Alltag vergessen und in einem alternativen Miteinander Räume für Leben in Hoffnung zu schaffen. Diese Botschaft wurde später zum Leitspruch der Organisation Benposta, welche sich aus dem Circo de los Muchachos herausentwickelte.

Als wir vom Nürnberger Menschenrechtszentrum am besagten Montag Morgen unsere Besucher von Benposta in Empfang nahmen, wusste eigentlich noch keiner so ganz genau, was uns in der Folgezeit erwarten würde.

Unsere kolumbianischen Freunde waren zuvor im Rahmen ihres insgesamt vierwöchigen Aufenthaltes in Deutschland und Spanien in den Städten Rheine und München gewesen. Sichtlich ein wenig angeschlagen von den ersten Eindrücken im fremden Deutschland und den Veranstaltungen, an denen sie teilgenommen hatten, durften wir sie schließlich in Nürnberg willkommen heißen. Die Grenzen der anfänglichen Fremdheit wurden schnell durch die offene und freundliche Art der Benpostaner behoben und das erst recht, als wir alle bei einem gemütlichen Miteinander zu Mittag aßen. Dem gemeinsamen Essen folgte ein kleiner Stadtrundgang und ein Besuch der Nürnberger Burg.

Gruppenbild bei der Nürnberger BurgUm 19:30 begann dann ein interessanter und lebendiger Abend. Lebendig deswegen, weil uns die Gruppe von Benposta, bestehend aus deren Kindern, Jugendlichen und drei ihrer Betreuer, ihre Musik und Tänze vorstellten. Die Musik hatte ihre positive Wirkung erzielt: Viele der Zuschauer bewegten sich von ihren Plätzen, um zu den Rhythmen Kolumbiens das Tanzbein zu schwingen. Die Vorstellung war durch und durch mitreißend und impresionante. Beeindruckend und interessant war der anschließende Vortrag, in dem wir erfahren konnten, worum es bei Benposta hauptsächlich geht.

Benposta ist der Versuch, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu geben, innerhalb einer Gemeinschaft Demokratie zu leben. Sie besuchen die Schule, machen Berufsausbildungen und werden zusätzlich in unterschiedlichen Bereichen, wie Musik und Tanz ausgebildet. Was es dabei bedeutet, Verantwortung zu tragen, lernen sie dadurch, dass sie den Tagesablauf mehr oder weniger eigenverantwortlich gestalten müssen – angefangen bei der Vorbereitung der Mahlzeiten, bishin zur Gestaltung des gemeinschaftlichen Lebens, das Versorgen der Tiere, Ordnung in den Gemeinschaftsräumen und Zimmern zu halten und einander Unterstützung zu geben. Benposta ist eine Republik aus Kindern und Jugendlichen, die sich selbst regieren. Ihr dringendes Anliegen ist es, auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen aufmerksam zu machen. Dies tun sie über ihre Musik- und Tanzvorstellungen. Wie wichtig dies ist, wissen die BewohnerInnen Benpostas aus eigenen Erfahrungen. Sie haben nahezu alle Gewalterfahrungen, Erfahrungen als KindersoldatInnen oder ein Leben auf der Straße hinter sich. In den kolumbianischen Städten Bogotá, Monterí­a und Villavicencio leben mittlerweile etwa 3000 Kinder in solchen Gemeinschaftsprojekten.

Mit dabei in Nürnberg war auch der Bürgermeister der jüngeren Kinder, der uns im Vortrag schilderte, wie denn sein Regierungsprogramm ausgesehen hätte und wie er selbst Benposta wahr nimmt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig den Kindern und Jugendlichen von Benposta die Gemeinschaft ist: Sie ergänzten einander in den Antworten auf die Fragen des Publikums. Kein Unterbrechen, keine Diskrepanzen, keine Unruhen – stattdessen gab es ehrliche und interessante Antworten, die sich zu einem Gesamtbild ergänzten.

Am darauffolgenden Tag besuchten wir mit unseren kolumbianischen Freunden das “Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne” in Nürnberg. Das dort gebotene Erlebnisparcour zur `Entdeckung der Sinneswahrnehmungen´ geht von Barfuß-laufen über verschiedene Untergründe, dem Besuch des Dunkelkaffees, dem Musizieren mit den Klängen der Welt- all dies begeisterte nicht allein die Kinder, sondern uns als gesamte Gruppe. Dem Motto des Freizeitparks konnte Benposta seinen bedeutenden Beitrag leisten, indem es den anderen ParkbesucherInnen in zwei Vorstellungen seine Musik vorstellte. Dadurch hatten die BesucherInnen, unter ihnen mehrheitlich Kinder, die Möglichkeit, die lebendige Musik und die traditionellen Tänze aus Kolumbien zu erfahren.

Besonders gut gefallen hat unseren Gästen aus Benposta wahrscheinlich das “Dunkelkaffee” – ein größenteils von Sehbehinderten geführtes Café in einem ehemaligen Nürnberger Kriegsbunker.

Auf das Erfahrungsfeld folgte ein Stadtbummel, reichlich gutes Essen und zuallerletzt, was bei einem `guten´ Abschied nicht fehlen darf, der Besuch einer Bar.

Ob es für uns einfach war, Benposta nach diesen zwei schönen Tagen zu verabschieden? Keineswegs. Wir hatten alle wirklich eine sehr schöne und bereichernde Zeit miteinander verbracht.

Ein Zusammensein, geprägt von einem Geben-und-Nehmen, bien puesta.

Wir vom Trägerkreis des Friedenslaufes und dem Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne waren froh über die Möglichkeit ein solch wichtiges Projekt nach Nürnberg holen zu können und durch Spendengelder unterstüzen zu können.

Musikalische Darbietung im Erfahrungsfeld“Si todos los hombres y mujeres del mundo, Abbildung 3: Benposta im Erfahrungsfeld

se diesen la mano

ninguno podrí­a oprimir a su hermano.”

(Auszug aus der Friedensbotschaft von Benposta)

“Würden sich alle Männer und Frauen dieser Welt

die Hand reichen,

könnte keiner seinen Bruder oder seine Schwester unterdrücken.”

(Übersetzung des Verfassers)

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