Ricardo J. Alfaro (1882 – 1971) Panama

28. Juli 2008 | Von | Kategorie: Biographien

von Rainer Huhle

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Ricardo J. Alfaro (1882 – 1971)

Ricardo Alfaro gehörte zu jener inzwischen ausgestorbenen Spezies von lateinamerikanischen Juristen, die sich im Grund als Universalgenies begriffen. Ehe er sich auf die Jurisprudenz konzentrierte und 1918 seinen Doktor in Jura und Politischer Wissenschaft machte, hatte er bereits als Eisenbahner und Sekretär, als Sanitäter und Übersetzer, am Theater und bei der Zeitung gearbeitet. Neben Jura studierte er auch Linguistik und Literaturwissenschaft, schrieb historische Werke, jobbte nebenher im Auswärtigen Dienst seines Landes und begann seine politische Laufbahn. Seine erste Professur erhielt er als Historiker und gründete nebenher das panamaische Rote Kreuz. Am Ende des ersten Weltkriegs wird Alfaro dann Verhandlungsführer seines Landes bei den schwierigen Gesprächen mit den USA über den Panamakanal. 1931/32, inmitten einer der vielen politischen Krisen des Landes, wird er sogar Präsident, wenn auch nicht gewählt, sondern vom Obersten Gerichtshof eingesetzt. Bei den Wahlen 1940 kandidierte er noch einmal regulär -vergeblich. Zwischenzeitlich setzte er sich in Panama und den USA u.a. für die republikanische Seite im Spanischen Bürgerkrieg ein.

Wie so viele lateinamerikanische Staatsmänner hatte auch Alfaro ein zwiespältiges Verhältnis zu den USA. Nationalist in der Frage des Kanals, prägten ihn die vielen Jahre, die er in den zwanziger und dreißiger Jahren als Diplomat in den Staaten verbrachte, gleichwohl stark. 1938 wurde er Generalsekretär des einflussreichen Amerikanischen Völkerrechtsinstituts (American Institute of International Law), das er einst mitgegründet hatte und dem er stets verbunden blieb. Nach seiner missglückten Präsidentschaftskandidatur musste Alfaro 1940 aus Panama fliehen und kehrte in die USA zurück. Während seine internationalen Aktivitäten immer mehr zunahmen, arbeitete er aus dem Exil für die Rückkehr Panamas zur Demokratie und an einer neuen Verfassung.

1945 wurde er zum Chef der Delegation des Landes bei der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco berufen und im gleichen Jahr auch zum Außenminister Panamas ernannt. Bei der UNO-Gründung gehörte Alfaro zu den aktivsten Delegierten überhaupt und stand an der Spitze derjenigen, die eine klare Verankerung der Menschenrechte in der Charta der neuen Weltorganisation anstrebten. Gleich in den ersten Tagen der Konferenz brachte Alfaro, unterstützt von anderen lateinamerikanischen Delegierten, einen Antrag zur Erweiterung der UN-Charta um zwei Erklärungen ein: eine „Erklärung der Rechte und Pflichten der Staaten“ (Declaration of the Rights and Duties of Nations) und eine „Erklärung der wesentlichen Menschenrechte“ (Declaration of Essential Human Rights), die er beide als integralen Bestandteil der UN-Charta beschlossen sehen wollte. Die „Erklärung der Rechte und Pflichten der Staaten“ war ein bereits 1916 vom American Institute of International Law beschlossenes Dokument, das sich auf die friedliche Regelung der zwischenstaatlichen Beziehungen bezog. Die Declaration of Essential Human Rights hingegen war eine erst wenige Monate vorher vom American Law Institute erarbeitete Menschenrechtserklärung, deren 18 Artikel die wesentlichen bürgerlichen und politischen Rechte, aber auch die Rechte auf Erziehung, Arbeit, „vernünftige“ Arbeitsbedingungen, Nahrung, Unterkunft und soziale Sicherheit enthielten. Alfaros Vorschlag war zu kühn für die Konferenz, er wurde zwar gelobt, aber nicht angenommen. Hätte er Erfolg gehabt, wären die Menschenrechte vom ersten Tag der Vereinten Nationen an bindendes Völkerrecht gewesen.

Alfaro ließ sich von dem Misserfolg nicht entmutigen. Nachdem es gelungen war, der UN-Charta gleichwohl eine Reihe von menschenrechtlichen Erklärungen und Normen einzufügen, brachte er seine Vorschläge als Vertreter Panamas auf der ersten regulären Vollversammlung der UNO wieder ein. Als sein Antrag erneut vertagt wurde, legte Panama das Dokument schließlich der ab 1947 funktionierenden Menschenrechtskommission vor, wo es eine der wesentlichen Grundlagen für die Erarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wurde. Alfaro war auch selbst Mitglied dieser zunächst nur 18 Delegierte umfassenden Menschenrechtskommission und nahm aktiven Anteil an ihrer weiteren Arbeit.

Entscheidend war auch seine Rolle bei der Entstehung der Konvention gegen den Völkermord. Als Leiter der panamesischen Delegation bei der UN-Generalversammlung setzte er 1946 als erster seine Unterschrift unter die von Raphael Lemkin vorgeschlagene Resolution (96/I) gegen den Völkermord und gewann weitere Delegationen dafür. Auf Basis dieser Resolution entwickelte sich dann die Arbeit an der 1948 zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verabschiedeten Konvention.

Dem Anliegen der Bestrafung von Völkermord und Menschheitsverbrechen blieb Alfaro auch weiter verpflichtet. Von 1949 bis 1953 war er Mitglied der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen, deren Aufgabe es u.a. war, die Grundlagen eines Völkerstrafrechts in der Nachfolge der in Nürnberg proklamierten Prinzipien zu schaffen. 1950 legte Alfaro dort als Sonderberichterstatter einen umfassenden Bericht über die Frage internationaler Strafgerichtsbarkeit (Question of International Criminal Jurisdiction) vor.

1959, inzwischen 76-jährig, wurde er zum Richter und bald auch Vizepräsidenten am Internationalen Gerichtshof in Den Haag berufen, von dem er 1964 aus Altersgründen ausschied. Bis in seine letzten Lebensjahre war er noch als Vortragender und Publizist tätig, wobei er auch seine alten Leidenschaften der Geschichts-Literatur-und Sprachwissenschaft wieder zu ihrem Recht kommen ließ.

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