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Ausstellung
Wenn das Leid Gestalt annimmt
Politische und soziale Gewalt in den Werken der Volkskünstler Perus

Volkskunst kann mehr sein als ein buntes Andenken für Touristen. Eine große Ausstellung des Nürnberger Menschenrechtszentrums zeigt vom 24. November bis 7. Februar rund 100 Arbeiten, in denen Volkskünstler aus Ayacucho (Peru) in ihrer traditionellen Formensprache die traumatischen Erfahrungen der politischen Gewalt verarbeitet haben sowie wichtige Werke, in denen die Tradition dieser Volkskunst deutlich wird. Diese einmalige Schau steht im Kontext des im August 2003 vorgelegten Berichts der peruanischen Wahrheitskommission.Etliche der darin dokumentierten Menschenrechtsverletzungen wurden bereits vor vielen Jahren von den Volkskünstlern dargestellt.

Schon immer konnte man in den Arbeiten peruanischer Volkskünstler gelegentlich aktuelle Fragen der Zeit aufblitzen sehen: den Krieg, die Lage der Bauern oder einfach plastische Szenen aus dem Alltag. Aber erst in den schlimmen Zeiten des blutigen Krieges zwischen dem "Leuchtenden Pfad" und der Armee in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts zeigten Künstler aus dem besonders betroffenen Gebiet von Ayacucho, was in dieser unscheinbaren Volkskunst an Möglichkeiten steckte.
Blutrot wurde die Farbe der Retablos. Bewaffnete Kämpfer stürmten die Dächer der traditionellen Keramikkirchen. Die indianischen Masken auf den Teppichen begannen Tränen zu weinen. Im strahlenden Weiß des Alabasters spiegelten sich die Grausamkeiten der Militärs. Und die Bauern des Malerdorfs Sarwa zeigten auf ihren Holztafeln statt der Ahnengalerien ihrer Familien mit grimmiger Satire die geistlose Brutalität der verschiedenen bewaffneten Angreifer auf, die ihr Dorf überfielen.
Trotz der neuen Inhalte drückten die Künstler sich weiter in der überlieferten Formensprache des "Kunsthandwerks" aus, in der sie aufgewachsen waren und gelernt hatten. In einer Zeit, in der ein falsches Wort am falschen Ort den Tod bedeuten konnte, legten sie auf ihre Weise Zeugnis der Schrecken ab, die über ihre Heimat gekommen waren. Nicht immer ging das gut, manches Kunstwerk wurde zerstört oder brachte seinem Schöpfer große Probleme.

Aber die Sprache der Kunst fand auch Gehör, sogar bis in die Hauptstadt, wo die neuartigen Werke den Blick auf die Lage in Ayacucho lenkten, als dort kaum noch Journalisten berichteten, nachdem etliche von ihnen den Tod gefunden hatten. 1986 schaffte es der heute sehr bekannte Retablokünstler Nicario Jiménez sogar, dem Präsidenten Alan García einen Retablo zu überreichen mit dem Titel "Denkschrift ohne Unterschrift", in dem er das Leid der Bauern in Ayacucho drastisch darstellte.
Vieles, was damals geschah, blieb bis heute im Verborgenen. Erst nach dem Ende der Diktatur von Präsident Fujimori und seinem Geheimdienstchef Montesinos konnte eine "Wahrheitskommission" ihre Arbeit aufnehmen. In rund 17.000 Interviews hat sie viele bekannte Verbrechen dokumentiert und ebenso viele bisher nicht bekannte erschütternde Vorfälle zutage gebracht. Viele Menschen wagten vor der Kommission nach rund 20 Jahren zum ersten mal darüber zu sprechen, was ihnen widerfahren war. Nach dem Bericht muss die Geschichte Perus für die beiden letzten Jahrzehnte neu geschrieben werden: Sie ist noch um einiges schlimmer als man bereits wusste.

In ihren Werken haben die ayacuchanischen Volkskünstler schon damals eine Reihe von Vorfällen festgehalten, die nun auch im Bericht der Kommission enthalten sind. Es ist daher an der Zeit, auch diese Arbeiten wieder in Erinnerung zu rufen, zumal ihr künstlerischer Rang heute in der ganzen Welt anerkannt wird.

Das Nürnberger Menschenrechtszentrum zeigte vom 24. November 2003 bis 7. Februar 2004 eine repräsentative Auswahl von fast 100 dieser Kunstwerke in den verschiedensten Größen und Formen.
Anlass der Ausstellung war auch der Bericht der peruanischen Wahrheitskommission, der Ende August vorgelegt wurde. Die Ausstellung widmete einen ihrer vier Räume der Wahrheitskommission und den Zeugnissen der Opfer der politischen Gewalt: den Angehörigen der Verschwundenen und Ermordeten, den Vertriebenen und den Menschenrechtskämpfern. Zu sehen war dort u.a. eine wandfüllende "Arpillera" (Stoffbild) von aus Ayacucho vertriebenen Frauen in Lima, das sie der Wahrheitskommission bei ihrer Aussage präsentiert hatten.

Die Ausstellung kann von interessierten Veranstaltern ausgeliehen werden. Dabei ist zu beachten, dass die empfindlichen Kunstwerke nur professionell transportiert werden können und versichert werden müssen. Am Ausstellungsort müssen ausreichend Vitrinen vorhanden und Aufsicht gewährleistet sein.

Bei Interesse wenden Sie sich an

Rainer Huhle
Nürnberger Menschenrechtszentrum
Adlerstr. 40
90403 Nürnberg
peru-ausstellung@menschenrechte.org

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