Neulich im Taxi

Umständehalber bin ich in den letzten Monaten viel im Taxi unterwegs gewesen. Hat eigentlich schon mal jemand eine Geschichte der Globalisierung am Beispiel des individuellen öffentlichen Nahverkehrs geschrieben? Die Zahl der Herkunftsländer meiner fast immer freundlichen FahrerInnen war jedenfalls beeindruckend.

Doch eines Tages, kaum eingestiegen, wurde ich in breitem Fränkisch gefragt: „Na, wou sollsn nacha higehn?“ Ich gab dem Fahrer die Adresse in der Universität Erlangen und bemerkte beiläufig, dass esja nicht mehr vieler Taxerer gäbe, die so schön fränkisch sprächen wie er. Stimmt, meinte er, aber so sei halt der Lauf der Zeit. Und mit seinen ausländischen Kollegen verstünde er sich prima. Damit beließen wir es.

Zwei Wochen saß im Taxi der gleiche Fahrer. Wir erinnerten uns aneinander und da wir ja nun schon einmal gute Bekannte waren, traute er sich, als ich ihm wieder eine Adresse der Universität nannte, zu fragen, was ich dort tue. Ich unterrichte Menschenrechte, erklärte ich ihm, eine Auskunft, die nicht immer auf Wohlwollen stößt. Mein Fahrer aber, nach einer Pause, meinte, das sei bestimmt ein schwieriges Thema. Ja, nicht ganz einfach, gab ich zurück. Er habe sich auch schon manchmal Gedanken dazu gemacht, fuhr er dann fort, und ich wurde hellhörig. Wenn er sich so seine Kollegen anschaue, da gäbe es solche und solche, wie halt überall auf der Welt. Aber warum sollte einer besser oder schlechter sein, nur weil er eine andere Hautfarbe habe, oder sonst irgendwie anders ausschaue? Wo einer geboren wurde, da kann doch keiner was dafür, oder?  Ich nickte und stellte für mich fest: Der Mann braucht keinen Menschenrechtskurs.

Und dann erzählte er mir eine Geschichte:

Neulich an einem Ort, wo gewöhnlich lange Schlangen auf ankommende Fahrgäste warten, sei er schon das zweite Fahrzeug an der Spitze gewesen, vor ihm nur noch sein Kollege – ein sehr feiner Kollege – aus Eritrea. Da kam eine elegant gekleidete Dame, blickte kurz in das erste Taxi und ging dann weiter zu meinem Fahrer. „Muss ich denn mit diesem N. (sie sprach es wirklich aus) da fahren?“

„Nein, das müssen Sie nicht“, antwortete mein fränkischer Taxerer, stieg aus und fügte laut hinzu. „Und mit mir müssen Sie auch nicht fahren.“ Inzwischen hatte die Szene Aufmerksamkeit erregt, auch die Fahrer aus den hinteren Wagen öffneten die Türen und hörten zu. „Und Sie können sicher sein, von denen da hinten nimmt sie auch keiner mit. Aber da drüben ist ja die Bushaltestelle.“ Ende des Dialogs, und beifälliges Klatschen nicht nur von den Taxifahrern, sondern sogar von Leuten auf der andern Straßenseite, die auf den Bus warteten.

Der braucht wirklich keine Menschenrechtsbildung, dachte ich mir, aber sein Beispiel würde jeden Kurs bereichern. Ich hoffe, dass er mir eines Tages wieder die Tür zu seinem Taxi aufmacht.

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