Pressefreiheit im subsaharischen Afrika – Vom Unterdrückten zum Unterdrückenden

Selten war der Druck auf Journalist:innen so hoch wie heute: Verschärft durch die Covid-19-Pandemie, ist die Freiheit der Presse weltweit immer gefährdeter. Laut der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen 2021, wurden noch nie so wenige Länder als „gut“ bewertet wie dieses Jahr. In knapp 75% aller Staaten werden Print- und Online-Medien politisch eingeschränkt. Auch der Rundfunk wird oft zensiert.

Besonders afrikanische Journalist:innen südlich der Sahara sind von zunehmender Zensur bedroht. Trotz steigender Diversität des Medienangebots seit den 1990er Jahren, wird die Presse von autoritären Regierungen kontrolliert und zu Propagandazwecken missbraucht. Gemäß Reporter ohne Grenzen gilt vor allem das subsaharische Afrika für Medienschaffende als gefährlich – obwohl die Medien gerade hier signifikanten Einfluss auf Dekolonisierungsprozesse hatten.

Reporter ohne Grenzen erstellt einmal im Jahr eine Rangliste, die die Pressefreiheit in 180 Ländern bewertet. Grundlage des Rankings ist ein Fragebogen, der von Expert:innen auf der ganzen Welt beantwortet wird. Zu kritisieren ist, dass die Ergebnisse der Umfrage nicht auf wissenschaftlichen Kriterien basieren und keine Auskunft über die Qualität der Berichterstattungen in den einzelnen Ländern geben. Zudem wird der Organisation mangelnde Transparenz bezüglich der erhaltenen Antworten und ein zu großer Fokus auf westliche Normen vorgeworfen.

Afrikas Weg in die Freiheit

Die subsaharische Presse entwickelte sich während der Kolonialzeit. Sie wurde vom Zusammenspiel zwischen den Kolonialmächten und der für Freiheit kämpfenden Zivilbevölkerung beeinflusst. Die Medien wurden nicht nur genutzt, um den Nationalismus voranzutreiben und politisch unabhängig zu werden, sondern auch um die Lebensbedingungen der indigenen Bevölkerung zu verbessern. Ab den 1960er Jahren gewannen sowohl die Presse als auch die subsaharischen Staaten an Selbstständigkeit.

Ein besonderer Meilenstein in der afrikanischen Geschichte, welcher schlussendlich sogar zur Entstehung des Internationalen Tags der Pressefreiheit beitrug, ist die Deklaration von Windhoek. Zeitgleich mit Namibias Unabhängigkeit Anfang der 1990er Jahre, verstärkte sich der Wunsch afrikanischer Medienschaffender nach einer freien und unabhängigen Presse. In Kooperation mit den Vereinten Nationen und diversen Nichtregierungsorganisationen, unterzeichneten am 3. Mai 1991 Journalist:innen aus 38 afrikanischen Ländern die Deklaration. Diese orientiert sich an Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und betont, dass:

„the establishment, maintenance and fostering of an independent, pluralistic and free press is essential to the development and maintenance of democracy in a nation, and for economic development”

Deklaration von Windhoek, 1991

Das Besondere an der Konferenz war, dass alle Teilnehmer:innen afrikanischer Herkunft waren. Hierdurch standen ausschließlich deren Interessen im Mittelpunkt, weshalb sich die Beschlüsse direkt auf Afrika bezogen.

Fluch und Segen zugleich

Doch obwohl, oder gerade weil die Medien eine entscheidende Rolle in der Bekämpfung der Kolonialmächte gespielt haben, werden sie von den Führungen der nun unabhängigen Länder als potenzielle Gefahr betrachtet. Da die meisten der heutigen Politiker:innen selbst als Journalist:innen tätig waren, kennen sie deren Macht, Regierungen zu hinterfragen und, wenn nötig, zu stürzen. Dies erklärt, warum unabhängige Berichterstattung als unerwünscht gilt.

Um ihre Machtpositionen zu stärken und auszubauen, lassen viele Regierungen keine Kritik an ihrer Politik zu. Im Gegenteil, sie missbrauchen die Medien zu Propagandazwecken. Obgleich die Freiheit der Presse in fast allen afrikanischen Verfassungen verankert ist, steht Zensur an der Tagesordnung. Eine freie Meinungsbildung der Öffentlichkeit ist untersagt.

In Sambia wurden beispielsweise nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 mehrere Fernseh- und Radiosender geschlossen, nachdem die Opposition der Regierung Wahlbetrug vorgeworfen hatte. Der ugandische Präsident Yoweri Museveni, der Journalist:innen als Parasiten beschreibt, führte 2018 eine Social-Media-Steuer ein. Nutzer:innen von Apps wie WhatsApp oder Facebook müssen zusätzliche Gebühren an ihre Internetbetreiber bezahlen.

Doch nicht nur die Medien selbst werden zensiert, auch Medienschaffende werden immer wieder unter Druck gesetzt und bedroht. In Kamerun verstarb der regierungskritische Journalist Samuel Wazizi wenige Monate nach seiner Inhaftierung 2019. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt. Eritrea bildet mit Platz 180 das weltweite Schlusslicht der Rangliste von Reporter ohne Grenzen. Unabhängige Berichterstattung wird seit 20 Jahren strikt untersagt. Mindestens elf Journalist:innen gelten als verschollen.

Pressefreiheit ist essenziell, um Demokratisierungsprozesse voranzutreiben und ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Um die Rechte der afrikanischen Bevölkerung zu stärken, muss die Repression durch autoritäre Regime enden. Es ist beschämend zu sehen, wie die einstigen Held:innen der Freiheitsbewegungen nun selbst zu machtgierigen Herrscher:innen heranwachsen. Als hätten sie aus ihrer eigenen Geschichte nichts gelernt, wurden sie selbst zu Unterdrücker:innen.

Pressefreiheit als Menschenrecht

Nichtsdestotrotz wäre es übertrieben zu sagen, dass die Medien aller subsaharischen Länder zensiert werden. Im Gegenteil, Staaten wie Kap Verde, Ghana, Südafrika und Burkina Faso zeigen, dass es auch anders geht. Auch Namibia, das mit Platz 24 der Rangliste die größte Pressefreiheit Afrikas genießt, ist von einer pluralistischen Medienlandschaft geprägt. Dabei genießen die Journalist:innen dort mehr Freiheiten als in europäischen Ländern wie Spanien, Großbritannien oder Frankreich.

Wissen und Meinungsfreiheit sind der Schlüssel zu Veränderung. Solange afrikanische Medien nicht unabhängig berichten können, werden die Rechte der betroffenen Menschen weiterhin eingeschränkt. Pressefreiheit ist ein Menschenrecht, das unabdingbar für die Befreiung Afrikas ist – von den Kolonialmächten als auch von autoritären Regimen.

Saskia Bleher ist hauptberuflich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig. Sie studierte internationale Kommunikation in Schweden und internationale Beziehungen in Südafrika. Ihre Themenschwerpunkte sind das subsaharische Afrika, Kinderrechte und Rechtspopulismus.

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