By Eva Kirchner –
Die UN-Resolution 1325 feiert heute ihren 20. Geburtstag. Unter dem Namen „Frauen, Frieden, Sicherheit“ möchten die Vereinten Nationen eine stärkere Repräsentation und Partizipation von Frauen in Friedensprozessen bewirken.
Innerhalb der letzten 20 Jahre hat sich einiges getan: dem Netzwerk „Women Peace and Security Focal Points Network (FPN)“ gehören mittlerweile 80 Staaten an, die sich um einen Ideenaustausch zur Umsetzung der Resolution 1325 bemühen. Und UN Women bildet Justizexperten aus, die geschlechtsspezifische Gewalt nach internationalem Recht beurteilen, um hier nur zwei Beispiele zu nennen.
Deutschland beteiligt sich selbstverständlich auch an der Umsetzung der Resolution und hat diese sogar zu einem Schwerpunktthema während der aktuellen Mandatszeit im Sicherheitsrat gemacht. Der nächste Schritt bleibt bisher jedoch aus: Eine feministische Außenpolitik. Worum handelt es sich dabei und warum wäre es ein sinnvolles Instrument für Deutschland?
Die Intentionen hinter einer feministischen Außenpolitik
Feminist foreign policy oder zu Deutsch, eine feministische Außenpolitik, gewinnt zunehmend an öffentlicher Aufmerksamkeit. Um diese Art der Außenpolitik zu erklären, muss man sich erst einmal die genaue Bedeutung des Begriffs „feministisch“ bewusst werden. Feministische Bewegungen haben nämlich nicht die Intention per se Frauen zu bevorzugen. Das übergeordnete Ziel ist es viel mehr, Gleichberechtigung zu erreichen.
Die Denkweise ist simpel: Wie soll nachhaltiger Frieden erreicht werden, wenn eine Hälfte der Weltbevölkerung nicht ausreichend im Prozess berücksichtigt wird?
Genau damit lässt sich auch der Kernpunkt einer feminist foreign policy zusammenfassen: Gleichberechtigung. Und genau diese Gleichberechtigung soll traditionelle Rollenbilder und Machtverteilungen aufbrechen. Dabei fokussiert man sich auch auf kleine, marginalisierte Gruppen, die sonst kaum im Fokus des großen außenpolitischen Denkens berücksichtigt werden. Die „weiße Vorherrschaft“ und das darin leider noch oft verwurzelte kolonialistische Denken sollen so abgebaut werden.
Studien haben gezeigt, dass nachhaltiger Frieden vor allem durch ein Instrument erreicht werden kann: Gleichberechtigung. Im Buch „Sex and World Peace“ wird das sogar noch genauer auf den Punkt gebracht: Weder anhand des Levels der Demokratie noch anhand des Reichtum eines Staates lassen sich so genaue Aussagen über den Friedenszustand eines Staates machen wie am Grad der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.
Doch es gibt noch einen weiteren zentralen Punkt in einer feministischen Außenpolitik: die Entmilitarisierung.
Militärische Gesten sind gleichzeitig auch oft Gesten der Dominanz. Dieses Dominanzdenken kann ebenso oft der sozio-kulturellen Rolle des Mannes zugeordnet werden. Und Männer sind überdurchschnittlich oft in entscheidungstragenden Positionen der Außenpolitik. Durch die Integration von Frauen kann der Fokus von Dominanz und Verteidigung zu Frieden geändert werden. Gleichberechtigung kann in diesem Bereich also auch zu einem Paradigmenwechsel führen.
Bei einer feministischen Außenpolitik geht es also darum, intersektional zu arbeiten und möglichst viele Gruppen in die außenpolitische Arbeit einzubinden, um so soziale Ungerechtigkeiten zu verhindern und aufzulösen. Der Fokus liegt nicht auf dem Ausdruck von Dominanz, sondern auf Kooperation und friedvoller Zusammenarbeit. Doch kann dieses ehrgeizige Vorhaben auch in die Tat umgesetzt werden?
Die Umsetzung
Das Paradebeispiel für die Umsetzung einer feminist foreign policy ist Schweden: Im Oktober 2014 war Schweden das erste Land weltweit, das sich dieser Außenpolitik verschrieb. Unter dem Motto „Rights, Representation, Resources“ möchte Schwedens Regierung alte Strukturen aufbrechen und die Sichtbarkeit von Frauen erhöhen. Seitdem konnte Schweden unter anderem den Anteil weiblicher Botschafterinnen auf 40 % erhöhen, hat in der schwedischen Botschaft in Kabul afghanische Frauen zu Mediatorinnen schulen lassen oder mit Hashtags wie #morewomenmorepeace medial auf einen hören Frauenanteil in Friedenspositionen aufmerksam gemacht. Schweden ist dabei schon lange Vorreiter in Sachen Gleichstellung. Im Gender Equality Index 2019 landete Schweden auf Platz 1.
Doch die Welle feministischer Politik erreichte nicht nur Schweden: 2017 verkündete Kanada von nun an eine feministische Entwicklungspolitik zu verfolgen. Im Fokus sollen dabei Gleichberechtigung sowie die Förderung von Frauen und Mädchen stehen. Weitere Punkte sind der Schutz der Menschenwürde, wirtschaftliches Wachstum, das alle Gruppierungen besserstellt, sowie Frieden und Sicherheit. Auch die kanadische Regierung argumentiert, dass Gleichberechtigung am effektivsten zu einer nachhaltigen und friedvollen Welt führt. Frauen und Mädchen sind dabei allerdings ein sehr vulnerabler Teil der Weltbevölkerung und bedürfen deshalb besonderem Schutz.
Und Anfang dieses Jahres verkündete schließlich die mexikanische Regierung von nun an eine feministische Außenpolitik zu verfolgen. Mexiko möchte damit Ungleichheiten und strukturelle Benachteiligung beseitigen, um so eine gerechtere Gesellschaft zu erreichen. Dabei gibt es fünf Prinzipien: eine Außenpolitik mit einer feministischen Agenda, ein Außenministerium, indem Gleichberechtigung, Sichtbarkeit von Frauen und Gewaltlosigkeit wichtige Prinzipien sind sowie ein Feminismus, der in allen Bereichen des Außenministeriums verankert ist.
Dass es also möglich ist, eine feministische Außenpolitik umzusetzen hat Schweden gezeigt. Und dass dies kein Einzelphänomen ist, zeigen auch die Intentionen Kanadas und Mexikos. Doch was ist mit Deutschland?
Eine feministische Außenpolitik für Deutschland?
Zumindest ein erster Schritt scheint bei dieser Frage schon getan zu sein. Wie bereits oben erwähnt, ist Heiko Maas der erste Außenminister, der sich einer feministischen Außenpolitik zuwendet, indem er die Resolution 1325 während Deutschlands Mandat im Sicherheitsrat in den Fokus setzt. Dennoch verabschiedete der Deutsche Bundestag erst 2012 einen konkreten Plan zur Umsetzung der Resolution. Und bisher wird leider nur jede siebte deutsche Botschaft von einer Frau geleitet. Eine Außenministerin gab es bisher in Deutschland nicht.
Mittlerweile fordern Parteien wie die Linken und die Grünen eine feministische Außenpolitik, stellen sogar konkrete Forderungen an die Regierung. Auch Bundestagsabgeordnete aus anderen Fraktionen stimmen den Forderungen teilweise zu. Dass wichtige Verhandlungen über Krieg und Frieden fast ausschließlich von Männern geführt werden, ist mittlerweile schließlich mehr als überholt. Und auch für ein Land wie Deutschland, in dem Gleichberechtigung ein wichtiger Wert ist, wäre eine feministische Außenpolitik nicht nur ein wichtiges Zeichen hinaus in die Welt, sondern eigentlich fast schon eine logische Konsequenz.
Doch der Wechsel zu einer feministischen Außenpolitik impliziert eben auch, dass in der bisherigen Form der Außenpolitik nicht alles richtig lief. Diese kritische Selbstreflexion scheint die deutsche Regierung bisher nicht zu wagen. Auch, wenn sie notwendig wäre.
Eva Kirchner engagiert sich im Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ). Sie studiert Philosophy and Economics an der Universität Bayreuth.