Es geht nicht ohne

Im Rahmen einer sogenannten Corona-Demonstration in Berlin fiel einer Spiegel-Journalistin folgende Aussage eines Redners auf: „Wenn wir an der Macht sind, werden Frauen nicht mehr Polizisten sein, denn sie sind dafür da, Leben zu geben und nicht zu nehmen. Das ist ihre göttliche Bestimmung!“ Quittiert wurde die Aussage mit Jubel und Applaus.

Dass in extrem rechten Bewegungen erzkonservative bis misogyne Frauenbilder vorherrschen, ist weitgehend bekannt. Doch warum ist das so? Und wie passt das zu den Inhalten gerade der Neuen Rechten, die sich zuweilen als Verfechterin eines westlichen Feminismus inszeniert und immer wieder auf Auftritte von Frauen setzt? Soviel vorab: Ein vorgeschobener Feminismus und neurechte Ideologien passen bestens zueinander.

Die Familie als Keimzelle des Volkes

Was das extrem rechte Milieu eint, ist die stets beschworene Sorge um das Volk. Ein Volk, das sich maßgeblich dadurch konstituiert, wer eben nicht dazugehört. Das Volk entspricht hier nicht der Bevölkerung oder Gesellschaft des Landes, sondern einer illusionären Vorstellung rassifizierter Reinheit. Um diese Reinheit zu gewährleisten, muss nicht nur das Fremde, Abzulehnende außenvor gehalten werden; es muss auch sichergestellt sein, dass genügend völkischer Nachwuchs geboren wird.

Die Familie wird zum Volk im Kleinen. Da das Volk homogenisierenden Idealvorstellungen einer genormten Gesellschaft entspricht, muss sich auch die Familie in vordefinierten, lenkbaren Bahnen bewegen. Was aus dem Rahmen fällt, gefährdet. Um in diesem Volks- und Familienbild die Machtverhältnisse zu wahren, werden Männern und Frauen vermeintlich naturgegebene Merkmale zugeschrieben, die sogleich einhergehen mit fixen Rollen und Aufgaben. Fast unnötig zu erwähnen, dass deshalb in diesem Text auch ausschließlich von „Männern“ und „Frauen“ die Rede ist – die binäre Geschlechterordnung wird als natürliche Tatsache vorausgesetzt.

Die Frau als Mutter

In ihrer nuancierten Ausgestaltung mögen sich die Geschlechterbilder in verschiedenen rechten Milieus unterscheiden. Etwa in der Frage, ob Frauen arbeiten „dürfen“ oder darüber, wie politisch aktiv Frauen in der Szene selbst sein sollten. Doch gemeinhin eint sie die Haltung, dass jegliche Care-Arbeit in den weiblichen Teil der Aufgabentrennung fällt. Die Familie kommt zuerst – und zwar nicht im Sinne einer positiven Besinnung auf familiäre Bande, sondern im Rahmen unantastbarer Vorgaben, die eine Wahlfreiheit nicht zulassen. Die Frau wird im rechten Volksbild auch heute noch als Kulturträgerin verstanden: Von ihr wird erwartet, dem Nachwuchs des Volkes die entsprechenden Werte zu vermitteln und gleichzeitig die Werte, die ihr in diesem Volksbild selbst zugeschrieben werden, anstandslos zu erfüllen. Die Aussage des Redners in Berlin spiegelt genau das wider – Frau soll Leben geben und ihren „naturgegebenen“ Job erfüllen, keinen frei gewählten.

Schon zur Kolonialzeit war klar, welchen Dienst die Frau im Volk zu erfüllen hat. In der Zeitschrift „Kolonie und Heimat“ war damals zu lesen: „Nicht in freiem, burschikosem Wesen soll ihre Tatkraft sich äußern, sondern in echter Weiblichkeit soll sie dem neuen Deutschland über dem Meere den Stempel ihrer Wesensart aufrücken, […] die Hohepriesterin deutscher Zucht und Sitte, die Trägerin deutscher Kultur, ein Segen dem fernen Lande: Deutsche Frauen, deutsche Ehre, deutsche Treue über’m Meere!“ Kurzum: Die Rolle als Ehefrau und Mutter war nicht nur vorgegeben, sondern erfüllte auch die wichtige Aufgabe, das gewünschte Volksbild zu festigen.

Neurechter Feminismus?

Ein ähnliches, ureigenes weibliches Interesse am Volk wird heute vor allem in der Neuen Rechten immer wieder propagiert. Sie inszeniert sich gerne vornehmlich feministisch – doch nur, wenn es darum geht, das rassistische Feindbild ‘anderer Mann’ mit dessen angeblicher Frauenfeindlichkeit zu rechtfertigen. Gerade muslimischen Männern wird in dieser Spielart des Rassismus vorgeworfen, ein rückständiges Frauenbild und triebhafte Sexualität zu verkörpern. Dem gegenüber steht der ‘gute Deutsche’, der weiß, wie Feminismus geht.  

Ein anschauliches Beispiel für das Kapern feministischer Themen war eine Kampagne aus dem Jahr 2018, hinter der Akteur:innen der Identitären Bewegung standen. In einem anklagenden Videospot prangerten Frauen des Milieus misogyne Gewalt an und machten Politik und Gesellschaft dafür verantwortlich. Doch selbstverständlich ging es nicht um von ‘deutschen’ Männern begangene Gewalt oder Feminizide – sondern um das vermeintliche Gefahrenpotenzial von als migrantisch gelesenen Männern. Rassismus im feministischen Gewand. Die Identitären markierten ihre Pressearbeit dazu mit Hashtags wie #Feminismus und #Frauenrechte.

Ansonsten taucht der Begriff „Feminismus“ bei den Identitären wie auch in anderen extrem rechten Szenen jedoch bloß als Wurzel allen Übels auf. Feministische Bestrebungen hätten den naturgegebenen Unterschied zwischen den (zwei) Geschlechtern vermischt und Frauen von ihrer natürlichen Rolle als Ehefrau und Mutter entfremdet. Das wiederum bringe die Keimzelle Familie in Gefahr und mit ihr den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Womit man wieder am Anfang der Erzählung steht. Als Ausgrenzungs- und Normierungsnarrative kommen derartige Volkskonzepte nicht aus ohne antifeministische Inhalte. Eine feministische Version extrem rechter Volksbilder kann es deshalb nicht geben.

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