Der Krieg in der Ukraine und was das für den Kampf gegen den Klimawandel bedeutet (Teil I)

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg des russischen Präsidenten auf die Ukraine dürfte wohl zweifellos als eine Zäsur in der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik bezeichnet werden. Eine viel beschriebene Zeitenwende, die mit drastischen politischen und wirtschaftlichen Veränderungen einhergehen wird, die in ihrer Tragweite im Moment noch nicht abzusehen sind. Die nun versprochenen 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr – beschlossen ausgerechnet unter einer Regierungskoalition mit Beteiligung von SPD und Grünen – bezeugen, wie schnell fundamentale parteiliche Positionen in einer solchen Ausnahmesituation aufgekündigt werden. Ähnliches konnte ja auch schon nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 beobachtet werden, als die CDU/CSU eine 180°-Wende hinlegte und den Ausstieg aus der Atomkraft verkündete.

Doch wie immer, wenn unerwartete Ereignisse die Öffentlichkeit erschüttern, müssen wir wachsam sein, welche Brücken wir einreißen, von welchen Überzeugungen wir uns lossagen und welche neuen Wege wir einschlagen.

Wir dürfen auch in solchen Ausnahmezuständen, wie wir sie derzeit erleben, nicht die Fähigkeit verlieren, unsere Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Krisen, Konflikten und Herausforderungen gleichzeitig zu richten. Der Angriff auf die Bevölkerung in der Ukraine wird immer menschenverachtender geführt und bereits ein Viertel der über 40 Millionen Menschen in der Ukraine mussten ihre Heimat verlassen. Nichtsdestotrotz darf der katastrophale und folgenreiche Krieg in der Ukraine nicht davon ablenken, dass wir neben zahlreichen anderen Problemen noch auf eine weitere, womöglich wesentlich folgenreichere Krise zusteuern, wenn wir es nicht schaffen, die Erderwärmung zu reduzieren.

Aufgrund der Erderwärmung und der unter anderem daraus entstehenden Wüstenbildung geht beispielsweise die EU-Kommission davon aus, dass innerhalb der nächsten 30 Jahre 700 Millionen Menschen vertrieben werden. Aber auch wegen des steigenden Meeresspiegels, prognostiziert die Weltbank, dass 2050 über 140 Millionen Menschen allein innerhalb der Regionen Subsahara-Afrikas, Südasiens und Südamerikas fliehen werden müssen.

Klimaforschende warnen daher eindringlich, dass das derzeitige Jahrzehnt das wirklich letzte Zeitfenster sei, in dem die globale Staatengemeinschaft noch den Prozess der Erderwärmung beeinflussen könnte. Doch wenn all unsere Aufmerksamkeit nun dem Krieg in der Ukraine gilt, wird es schwer sein, geschlossen und resolut zu handeln. Dies mag auf den ersten Blick zynisch erscheinen in Anbetracht des millionenfachen Leidens, der schweren Menschenrechtsverletzungen und der vielen Toten und Verletzten in der Ukraine.

Nichtsdestotrotz müssen wir uns unweigerlich mit der Frage auseinandersetzen, welche energiewirtschaftlichen Maßnahmen wir nun im Namen des Völkerrechts ergreifen und welche Bedeutung diese für den globalen Kampf gegen die Erderwärmung haben.

Lieferung fossiler Energieträger von „lupenreinen“ Demokraten

In den letzten zwei Jahrzehnten haben wir uns in eine immer größere Energie-Abhängigkeit von Russland begeben, was insbesondere die Lieferung von Erdgas anbelangt, aber auch von Erdöl und Steinkohle. Deutschland deckt etwa 55 Prozent seiner Erdgasversorgung mit Importen aus Russland, sowie 50 Prozent der eingesetzten Steinkohle und 35 Prozent des benötigten Erdöls. Besonders Bayern hat hier im Bundesländervergleich mit Abstand die größte Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas aus Russland.

Nachdem diese Abhängigkeit jahrelang aktiv vorangetrieben wurde, hat es erst diesen Angriffskrieg Russlands gebraucht, damit sich die Erkenntnis in der politischen Führung durchsetzt, dass eine Diversifizierung der Energie-Lieferanten die Resilienz der deutschen Energieversorgung erhöht und dringend notwendig ist. Nicht zuletzt auch deswegen, weil es schwer vermittelbar ist, dass man weitreichende Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen Russland verhängt, trotzdem aber dessen Staatshaushalt und damit auch den Aggressor des Krieges mit etwa 70 Millionen Euro täglich (!) für erfolgte Energielieferungen finanziell unterstützt.

Nun war der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck im März auf „Energie-Shoppingtour“ in den Golfstaaten und versuchte mithilfe Katars und der Vereinigten Arabischen Emiraten Deutschlands Quellen für die Lieferung von Energieträgern zu diversifizieren. Wobei anzumerken ist, dass Deutschland bereits Erdöl und Erdgas aus der Golfregion bezieht. Ausgerechnet aus solchen Ländern, die wegen massiver Arbeitsrechts- und Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen und als Autokratien gelten.

„Die Tatsache, dass diese Länder nun als Energielieferanten dringend gebraucht werden, darf nicht dazu führen, dass bei der Einhaltung der Menschenrechte vor Ort ein Auge zugedrückt wird.“

Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für die Region Naher Osten von Amnesty International

Wie mit dieser Initiative nun die noch Ende 2021 versprochene „wertegeleitete“ Außenpolitik in Einklang zu bringen ist, darf gespannt abgewartet werden. Zu lange hat Deutschland die Energiewende verschleppt, zu sehr ist Deutschland noch abhängig von fossilen Energieträgern und zu oft befinden sich diese fossilen Energieträger in Staaten, die es mit unseren demokratischen und auf den Menschenrechten basierenden Wertevorstellungen nicht so genau nehmen.

Erneuerbare Energien als Garant für mehr Unabhängigkeit und eine bessere Welt

Angesichts unserer Abhängigkeit von russischen Energieimporten melden sich die längst verstummt geglaubten Stimmen, dass unsere heimische Kohle-Industrie wieder forciert werden, dass die Laufzeiten von Deutschlands Kernkraftwerken verlängert werden oder dass Fracking in Deutschland erlaubt werden müsse. All diese Optionen erscheinen zwar in einem ersten Reflex nachvollziehbar. Auch könnten sie sogar als einen schlechten Plan B herangezogen werden, doch lassen sie den Blick für das große Ganze vermissen und verhöhnen die Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel der letzten Jahrzehnte.

Wir brauchen vielmehr einen echten Energiewende-Booster, der den Ausbau der Erneuerbaren Energien unmittelbar und signifikant steigert. Wir benötigen Maßnahme zur Steigerung der Energie-Effizienz und solche, die Energie tatsächlich einsparen und den CO₂-Ausstoß senken. Die dafür notwendigen Maßnahmen sind bereits bekannt, wie z.B. hier nachzulesen bei GermanZero, Fridays for Future, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland – BUND, Stiftung KlimaWirtschaft und Öko-Institut. Sie müssten nur noch überzeugend und flächendeckend umgesetzt werden.

-> Zum Weiterlesen: Teil 2.

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