Jenseits der Schlagzeilen: Drei Normen der Menschenrechtsarbeit

Human Rights Normen Menschenrechtsarbeit Politische Bildung

‚Corona‘ kennt keine Parteien. Aber vor einigen Wochen gab es noch heiße Diskussionen über die Frage: Welche Parteien dürfen überhaupt miteinander? Und wie schief ist die Gleichsetzung von rechts- und linksextrem, die Lehre von der Äquidistanz oder vom ‚Hufeisen‘? Andrerseits wird öffentlich beklagt, dass die Parteien in der Mitte an politischem Gewicht verlieren und die Gesellschaft gespalten sei. Im St. Lorenzer Kommentargottesdienst am 15. März, dem Wahlsonntag, sollte ich diesen Sachverhalt kommentieren. Im Folgenden der Schluss meiner Überlegungen:

Die politischen Konflikte werden trotz aller aktuellen und verständlichen Gemeinschaftsrhetorik wieder kommen. Denn nicht alles wird nach ‚Corona‘ anders sein. Die zentralen Aufgaben der Menschenrechtsarbeit und der politischen Bildung bleiben, gerade in Konflikten. Drei Normen sind dabei besonders wichtig:

Erste Norm: Die Anerkennung der gesellschaftlichen Vielfalt

Nichtdiskriminierung ist eine Querschnittaufgabe der Menschenrechte. Es geht um den rechtlichen Schutz und die Anerkennung von ganz unterschiedlichen Menschen, auch in Institutionen wie z. B. in Schulen, Kirchen oder der Bundeswehr.

Eine besondere Herausforderung für die Einwanderungsgesellschaft ist die Entwicklung eines Zusammenhaltes mit den vielfältigen migrantischen Milieus. Die Anerkennung der kulturellen Vielfalt hat in den Grund- und Menschenrechten der einzelnen Personen ihre Grenze. Im Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist zwar das Recht auf die eigene Kultur verankert. Aber damit sind die ethnisch-kulturellen Gemeinschaften nicht über die Freiheitsrechte der einzelnen Mitglieder gesetzt.

Fazit: Eine Diskussion über Probleme der Einwanderungspolitik und ihre Grenzen ist legitim und nicht schon rassistisch. Dazu wird sie aber, wenn sie begleitet ist von der Hetze gegen Migranten.

Dr. Otto Böhm in der Lorenzkirche in Nürnberg zu den Normen der Menschenrechtsarbeit und der politischen Bildung

Zweite Norm: Religionsfreiheit

Das Recht auf Religionsfreiheit ist in Deutschland ungefährdet. Es besteht allerdings ausdrücklich auch im Recht auf freie Religionsausübung. Sie muss nicht im stillen Kämmerlein stattfinden. Dementsprechend müssen sich Moscheen nicht verstecken.

Ein Dauerkonflikt, der so genannte Kopftuchstreit, wird aus Menschenrechts-Sicht meist zugunsten der Religionsfreiheit interpretiert. Weithin anerkannt allerdings ist das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes gegen die Vollverschleierung. Und unstrittig ist die Zurückweisung bestimmter Elemente der Scharia.

Fazit: Die Auseinandersetzung über den Zusammenhang von Religionen, hier dem Islam, und Menschenrechtsverletzungen, ist legitim und nicht schon islamophob; dazu wird sie aber, wenn es nur darum geht, mit Hilfe der Religion ihre Gläubigen zu verteufeln.

Dritte Norm: Die Meinungsfreiheit

Die Begriffe „Propaganda, Systempresse, Unterdrückung der freien Meinung“ gehören zum Arsenal von Rechtsextremisten. Sie sind aber auch im Alltag weit verbreitet und regelmäßig zu hören. Auch wenn vielleicht ein linksliberaler Mainstream in einer Gruppe von deutschen Medien vorhanden ist: Es gibt ohne Einschränkungen die Möglichkeit der Kritik und diverse Alternativ-Öffentlichkeiten. Allerdings: Wenn es sich um Volksverhetzung und NS-Propaganda handelt, sind der Meinungsfreiheit in Deutschland mit guten Gründen strafrechtliche Grenzen gesetzt.

Das Recht auf Meinungsfreiheit findet seine Grenzen an den Rechten anderer vor persönlicher Beleidigung oder Bedrohungen. Die deutsche Gesetzgebung und Rechtsprechung sieht sich immer wieder veranlasst, an dieser empfindlichen Grenze nachzusteuern, auch derzeit wieder angesichts von durchaus folgenreichen Hassreden im Netz und der vielen Drohungen gegen Einzelpersonen.

Wir bewegen uns in Gemeinschaften und Freundeskreisen, in Schulen und Vereinen, eher diesseits von Strafrecht und politischem Meinungskampf. Da geht es um Lernprozesse, um zivilisierte Konfliktbearbeitung, um wechselseitig verpflichtende Anerkennung von Lebensstilen, Religionen und Meinungen.

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