„Equal Pay Day“ – Aber war der nicht immer irgendwann im Frühling?

by Caterina Böhner –

Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich immer noch 20% weniger als Männer, arbeiten zudem seltener in Führungspositionen und eher in Teilzeit. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Kinderbetreuung und die sogenannte Care-Arbeit immer noch als ein Frauenthema angesehen wird – doch das nicht nur aus gesellschaftlichen Gründen. Auch finanzielle Gründe stecken oft hinter der Entscheidung.

„Care-Arbeit oder Sorgearbeit beschreibt die Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns. Darunter fällt Kinderbetreuung oder Altenpflege, aber auch familiäre Unterstützung, häusliche Pflege oder Hilfe unter Freunden.“

Bundeszentrale für politische Bildung

Zuletzt kam die Frage nach der Kinderbetreuung in vielen Familien während den Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie erneut auf. Wer betreut die Kinder, wenn der Kindergarten oder die Schule geschlossen haben? – Die Antwort scheint in vielen Haushalten eindeutig zu sein…

Bezahlung richtet sich nach dem Geschlecht

Zahlen aus Stat. Bundesamt Pressemitteilung Nr. 097 vom 16. März 2020

Seit 2009 findet jedes Jahr im Frühling der sogenannte Equal Pay Day statt. Der Aktionstag markiert jährlich den Tag, bis zu dem Frauen rechnerisch unentgeltlich arbeiten würden. Damit soll auf den bestehenden Gender Pay Gap aufmerksam gemacht werden. In Deutschland liegt dieser Wert laut Statistischem Bundesamt derzeit bei 20%, was rechnerisch 77 Kalendertagen entspricht, an denen Frauen verglichen mit Männern unentgeltlich arbeiten. Im Jahr 2020 fand der „Equal Pay Day“ damit am 17. März statt.

Langfristig ist jedoch ein langsamer, aber stetiger Rückgang des Gender Pay Gap zu erkennen, die im Jahr 2014 mit 22% noch um zwei Prozentpunkte höher lag als im Jahr 2019. Laut dem Statistischen Bundesamt betrug der Durchschnittslohn von Frauen 17,72 € brutto und bei Männern 22,16 €, was insgesamt einen Unterschied von 4,44 € ausmacht. Noch im Jahr 2018, lag diese Differenz bei 4,51 €. Die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Elke Hannack forderte zudem in einem Gespräch mit dem SPIEGEL: „Wer die Lohnlücke schließen will, muss die bezahlte Erwerbs- und die unbezahlte Sorgearbeit fair zwischen Frauen und Männern verteilen“.

Aber was hat die Bezahlung mit der Kinderbetreuung und Care-Arbeit zu tun?

Aufgrund der Tatsache, dass Frauen in den meisten Haushalten immer noch rund 20% weniger verdienen als Männer, entscheiden sich die Frauen meist dafür, die familiären Pflichten zu übernehmen – oder sind aus finanzieller Sicht oft wohl eher dazu gezwungen. Zum einen arbeiten Frauen häufiger in Branchen, die nicht gut bezahlt werden, wie zum Beispiel in der Pflege, Erziehung oder im Verkauf. Hier wird Frauen oft vorgeworfen, sie würden sich aus finanzieller Sicht die falschen Branchen aussuchen. Dem ist aber nicht so: Frauen suchen sich nicht die falschen Branchen aus. Die Vergütung richtet sich viel mehr nach dem in der Branche dominierenden Geschlecht. Beispielsweise sank die Vergütung von Designer*innen und Biolog*innen, nachdem Frauen zunehmend die einst männlich dominierten Tätigkeiten wählten. Andersherum ist dieses Phänomen im Bereich der Computerprogrammierung zu beobachten: Sie galt erst als ein typischer Frauenjob, bis durch die zunehmende Popularität bei Männern das Ansehen und die Bezahlung in dem Berufsfeld stiegen.

So sind Männer meist immer noch die Hauptverdiener und die Frauen diejenigen, die zurückstecken und in Teilzeit arbeiten, um die Care-Arbeit zuhause zu übernehmen. Frauen in Deutschland wenden täglich im Schnitt 1,5 Stunden mehr für Haushalt, Pflege und Kochen auf als Männer. In Norwegen hingegen liegt dieser Unterschied lediglich bei 45 Minuten, in Albanien jedoch beträgt die Differenz sogar 4,5 Stunden. Nimmt man unbezahlte und bezahlte Arbeit zusammen, arbeiten Frauen in den OECD-Staaten pro Tag insgesamt etwa 30 Minuten mehr als Männer. Aber auch hier gibt es innerhalb der OECD große Differenzen. In Portugal beispielsweise liegt der Unterschied sogar bei 90 Minuten.

Frauen arbeiten nicht weniger, sie arbeiten nur weniger für Geld!

Aufgrund der zusätzlichen Care-Arbeit, die meist von Frauen übernommen wird, arbeiten Frauen deutlich häufiger nur in Teilzeit – aber das nicht immer freiwillig. So ist OECD-weit der Anteil der Frauen, die ungewollt in Teilzeit arbeiten, doppelt so hoch wie dieser Anteil bei Männern. Die Arbeit in Teilzeit hat wiederum auch negative Auswirkungen auf den Stundenlohn. Man spricht hier auch von der sogenannten „unbereinigten Gehaltslücke“. Diese Lücke von rund 13% entsteht dadurch, dass Frauen durch die Teilzeitarbeit weniger Stunden arbeiten, und dies meist auch in Jobs, in denen schlechter bezahlt wird. Damit sind nicht nur gesellschaftliche, sondern vor allem auch finanzielle Gründe ausschlaggebend für die Frage nach der Verteilung der Care-Arbeit.

Erwerbspausen als Argument für niedrigeren Lohn – Ein Teufelskreis

Vor allem in Branchen wie Verkauf, Vertrieb und bei Banken sind besonders hohe Einkommensunterschiede bei gleicher Leistung und gleicher Berufserfahrung zwischen Männern und Frauen zu erkennen. Die Unternehmen begründen den niedrigeren Lohn oft mit den bevorstehenden Erwerbspausen bei Frauen.

Aber verdienen Frauen weniger, weil sie häufiger daheim bleiben, um Care-Arbeit zu übernehmen? Oder bleiben Frauen öfter daheim da sie weniger verdienen?

In der Frage ist eine gewisse Widersprüchlichkeit zu erkennen: Dass Frauen grundsätzlich weniger verdienen, wird von Seiten des Arbeitgebers häufig mit dem Argument, sie würden eher aufgrund der Care-Arbeit ausfallen als Männer, begründet. Das führt letztendlich dazu, dass sie nicht nur aus den genannten sozialen Gründen eher daheim bleiben. Es steckt eben auch oft eine finanzielle Entscheidung dahinter. Da Männer in den meisten Familien immer noch die Hauptverdiener darstellen, pausieren Frauen ihre Arbeit eher für Kinderbetreuung als Männer, weil es andersherum für sie aus finanzieller Sicht oft nicht möglich wäre. Daraus folgt also: Es kann sich an der gesellschaftlichen Situation, dass Frauen typischerweise für die Care-Arbeit verantwortlich sind, nichts ändern, solange nicht eine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern gegeben ist.

Die wirkliche Gefahr, die hinter dieser Widersprüchlichkeit steckt, ist jedoch: Durch die Einkommensunterschiede und die damit einhergehende Teilzeitarbeit aufgrund der von Frauen übernommenen Care-Arbeit, stecken Frauen auch beruflich zurück. Das macht sie finanziell abhängig von ihrem Partner. Die Folge ist ein noch geringeres Einkommen und finanzielle Abhängigkeit. Zudem sind Frauen später, aufgrund langer Pausen der Erwerbstätigkeit, Teilzeitarbeit und einer niedrigeren Vergütung, auch deutlich öfter als Männer von Altersarmut betroffen.

Corona-Lockdown: Wieder trifft es die von Frauen dominierten Branchen

Verschärft wurde die gegebene Situation vor allem durch den Corona-Lockdown im Frühling dieses Jahres; und auch im jetzigen Teillockdown zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Branchen wie der Einzelhandel, die Gastronomie und Bildung – alles Branchen, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten – sind vom Lockdown, und damit auch von den wirtschaftlichen Folgen, besonders betroffen. Auch in der Pflege sind die Auswirkungen der Pandemie sehr deutlich spürbar. Hier hat das Personal zunehmend mit einer Überbelastung zu kämpfen – ganz abgesehen von den Gefahren für die eigene Gesundheit.

Aufgrund der Schulschließungen im Frühling stellte sich in vielen Familien die Frage: Wer bleibt nun daheim, um die Kinder während des Homeschoolings zu betreuen? – Meist waren das mal wieder die Frauen. Sie werden damit zurück in ihre alten Rollen gedrängt und übernehmen meist die Kinderbetreuung – oft in erster Linie wohl auch wieder aus finanziellen Gründen. Damit trifft die Corona-Krise Frauen wesentlich stärker als Männer, aber auch für Vollzeit-berufstätige Eltern ist die Corona-Krise eine extreme Belastung.

Angleichung der Löhne als Grundvoraussetzung

Die Angleichung der Löhne ist also eine grundlegende Voraussetzung, mit der in vielen Familien einiges einfacher und vor allem flexibler gestaltet werden könnte. Die Gleichstellung in der Bezahlung als Grundvoraussetzung muss einhergehen mit einer gleichen Aufteilung der Care-Arbeit unter Männern und Frauen. Nur so kann eine ungewollte finanzielle Abhängigkeit umgangen werden. Der Unterschied im Stundenlohn von derzeit 4,44 € zwischen Männern und Frauen macht beim Betrachten der Folgen eben doch einen erheblichen Unterschied aus. Darauf sollte öfter aufmerksam gemacht werden – nicht nur einmal im Jahr Mitte März.

Caterina Böhner ist derzeit Praktikantin im Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ). Sie studiert Politikwissenschaft und Europäische Ethnologie im Bachelor an der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg.


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