Ein Istanbuler Gericht hatte den wegen Raubs und Totschlags angeklagten Akhanli vier Monate nach seiner Festnahme, aus der Untersuchungshaft entlassen. “Ein dringender Tatverdacht gegen den türkischstämmigen Schriftsteller mit deutscher Staatsbürgerschaft liege nicht mehr vor, entschied das Gericht am ersten Verhandlungstag.” (SZ)
Erste Interviews und Presseberichte:
Sueddeutsche Zeitung vom 13.10.2010
Der Prozess gegen Dogan Akhanli
Seit dem 10. August 2010 ist der deutsch-türkische Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist Dogan Akhanli in der Türkei inhaftiert. Er wurde bei der Einreise festgenommen aufgrund eines Haftbefehls aus der Zeit der Militärdiktatur. Nach dieser Anklage soll er 1989 einen Raubmord begangen haben, um einen politischen Umsturz voranzutreiben. Die Vorwürfe der Anklage werden von Dogan Akhanli energisch bestritten. Nach Auskunft von seinem Verteidiger liegen bei dem zuständigen Gericht in Istanbul keine belastbaren Beweise gegen ihn vor. Trotzdem wurden alle Anträge auf Haftverschonung abgelehnt. Am 8. Dezember 2010 beginnt nun der Prozess, nachdem Dogan Akhanli es abgelehnt hatte, auf Verjährung zu plädieren. Er will seine Unschuld und die Willkür seiner Verhaftung beweisen. Zur Beobachtung des Prozesses reist eine größere Delegation aus Deutschland, darunter Akhanlis Schriftstellerkollege Günter Wallraff, in die Türkei.
Für Dogan Akhanli hat seine Reise in die Türkei auch noch in anderer Hinsicht einen tragischen Verlauf genommen. Anlass für die Reise war sein Wunsch gewesen, seinen todkranken Vater noch einmal zu besuchen. Der Vater ist nun Ende November, wenige Tage vor Prozessbeginn, verstorben. Dogan Akhanli war es verwehrt, ihn noch einmal zu sehen.
Das Nürnberger Menschenrechtszentrum schließt sich den zahlreichen Aufrufen an, die ein faires Verfahren und die Haftverschonung für Dogan Akhanli fordern. Die Prozessbeobachtung wird zeigen, in wie weit die türkische Justiz ein rechtsstaatliches Verfahren gewährleistet.
Zur Person:
Dogan Akhanli war von 1985-1987 als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul inhaftiert und wurde dort gefoltert. Er floh 1991 nach Deutschland, wurde hier als politischer Flüchtling anerkannt und später von der Türkei ausgebürgert. Seit 2001 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft. Er hat sich in Deutschland seit vielen Jahren für die Menschenrechte eingesetzt. So ist er Initiator der Raphael-Lemkin Bibliothek in Köln, ein Projekt, das u.a. von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ unterstützt wurde. Er engagiert sich für die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ebenso wie für die Aufklärung und Anerkennung des Völkermords an den Armeniern, u.a. in seinem Roman „Die Richter des Jüngsten Gerichts“. Auch für die Aufklärung des Mordes an dem armenischen Journalisten Hrant Dink hat er sich intensiv eingesetzt. Sein Roman Die Richter des Jüngsten Gerichts ist soeben in der 2. Auflage erschienen.
Weitere Information zu den Hintergründen ist auf dem Factsheet zu finden, das die Arbeitsgruppe Anerkennung – gegen Genozid, für Völkerverständigung e.V. zusammengestellt hat. Laufende Information über das Verfahren und die internationale Bewegung für Dogan Akhanli findet sich auf der Website http://gerechtigkeit-fuer-dogan-akhanli.de/blog/
Dogan Akhanli im März 2010 in Berlin bei der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ anlässlich der Vorstellung des Buches „Human Rights and History“