Gespräch mit den preisgekrönten Vertreterinnen des PCFF in unserem Büro
Am Tag nach der Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises 2025 besuchten uns die Vertreterinnen des Parents Circle – Families Forum, Laila AlSheikh und Robi Damelin. Der Abend war geprägt von bewegenden Erfahrungsberichten, ehrlichen Gesprächen und tiefen Überlegungen darüber, wie Versöhnung angesichts von Gewalt und Verlust aussehen kann.
Wer sie sind
Das Parents Circle – Families Forum (PCFF) ist eine einzigartige israelisch-palästinensische Organisation von mehr als 800 Familien, die durch den Konflikt unmittelbare Angehörige verloren haben. Die 1995 gegründete Gruppe bringt trauernde Israelis und Palästinenser*innen mit einem gemeinsamen Ziel zusammen: persönliche Trauer in eine Kraft für Dialog, Empathie und Gewaltlosigkeit zu verwandeln. Für diese mutige Arbeit wurde PCFF in diesem Jahr mit dem Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis ausgezeichnet.
Ein Abend voller Zeugnisse und Dialog
Bei ihrem Treffen mit unserer Organisation erzählten die Preisträgerinnen mit bemerkenswerter Offenheit ihre Geschichten. Beide sprachen über den tiefen Schmerz, ein Kind, ein Geschwisterteil oder einen Elternteil verloren zu haben – aber auch über die bewusste Entscheidung, die Trauer nicht zu Hass werden zu lassen. Stattdessen arbeiten sie unermüdlich daran, Brücken zwischen den Gemeinschaften zu bauen, und setzen sich dafür ein, dass Versöhnung und Frieden auch unter schwierigsten Umständen möglich sind.
Beide bemerkenswerte Rednerinnen betonten die transformative Kraft persönlicher Geschichten in von Konflikten geprägten Gesellschaften. Selbst für die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg, die anfangs sehr skeptisch war, war diese Veränderung spürbar.
„Sei nicht pro irgendetwas, außer pro Menschenrechte.“
Während der Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises erklärte Robi: „Sei nicht pro Israel oder pro Palästina, sei Teil der Lösung.“ Sie schloss mit den Worten: „Und wenn du nicht Teil der Lösung sein kannst, lass‘ uns in Ruhe.“ Am nächsten Tag, während unseres Gesprächs in unserem Büro, führte sie diese Worte weiter aus und fügte hinzu: „Sei nicht pro irgendetwas, außer pro Menschenrechte.“
Sie erklärte dann, dass es bei der Arbeit des PCFF darum geht, auf der Grundlage gegenseitigen Respekts eine gemeinsame Basis zu finden, als ersten und dringend notwendigen Schritt für einen echten und nachhaltigen Friedensprozess. Ihre Kollegin Laila unterstützte diese Sichtweise, indem sie betonte, dass es ihr egal sei, ob es einen, zwei oder sogar mehrere souveräne Staaten gebe, solange gegenseitiger Respekt herrsche.
„Was im Westjordanland geschieht, sollte uns ebenso beunruhigen.“
Robi erinnerte uns daran, dass unsere Aufmerksamkeit nicht nur auf die katastrophale Lage in und um Gaza und die Geiseln gerichtet sein darf, sondern auch auf die täglichen Realitäten im Westjordanland: „Was im Westjordanland geschieht, sollte uns ebenso beunruhigen.“ Sie wies darauf hin, dass die PCFF zwei Büros hat, eines in Israel und eines im Westjordanland, und dass es aufgrund der strengen Beschränkungen sehr schwierig ist, miteinander in Kontakt zu bleiben. Laila, die mit ihrer Familie im Westjordanland lebt, beschrieb die physisch und emotional sehr belastende Situation im Westjordanland. Die Bewegungsfreiheit der Menschen ist stark eingeschränkt, die täglich benötigte Infrastruktur ist völlig unzureichend und die Gefahr, getötet zu werden, ist allgegenwärtig. Dies sollte uns daran erinnern, unseren Fokus nicht nur auf die schweren Verstöße gegen die Menschenrechte in Gaza gegenüber der lokalen Bevölkerung und den Geiseln zu richten, sondern auch auf die Situation im Westjordanland.
Jenseits persönlicher Geschichten
Das Gespräch ging über individuelle Erfahrungsberichte hinaus. PCFF sprach auch über die eigenen Bildungs- und Advocacy-Programme:
- Dialogveranstaltungen in Schulen und Universitäten, bei denen trauernde Mitglieder ihre Erfahrungen direkt mit jungen Menschen teilen.
- Grenzüberschreitende Initiativen, die Israelis und Palästinenser*innen zu gemeinsamen Workshops, Kunstprojekten und Gedenkveranstaltungen zusammenbringen.
- Öffentliche Kampagnen, die Stereotypen hinterfragen und beide Gesellschaften daran erinnern, dass Frieden nicht nur notwendig, sondern auch möglich ist.
Diese Initiativen haben im Laufe der Jahre trotz Widerständen und politischem Gegenwind Zehntausende von Menschen erreicht. Ihre Arbeit zeigt, dass Versöhnung kein abstraktes Ideal, sondern tägliche Praxis ist. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung diskutierten wir auch, wie ein solch vielversprechendes Bildungsprogramm auch an deutschen Universitäten umgesetzt werden könnte.
Reaktionen des Publikums
Unsere Mitglieder und geladenen Gäste beschrieben den Abend als „zum Nachdenken anregend und inspirierend“. Viele betonten, wie beeindruckend es war, Berichte aus erster Hand von Menschen zu hören, die sich leicht in Schweigen oder Ressentiments hätten zurückziehen können, sich aber stattdessen für den Dialog entschieden haben. Die Diskussion hob den Mut hervor, der erforderlich ist, um über Grenzen hinweg zu sprechen, und die Hoffnung, dass dieser Mut andere dazu inspirieren kann, diesem Beispiel zu folgen.
Warum es wichtig ist
Die Anwesenheit des PCFF in Nürnberg hatte auch erhebliche symbolische Bedeutung. Nürnberg, einst Synonym für Ungerechtigkeit und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, hat sich zu einem Ort gewandelt, an dem Menschenrechtsverteidiger*innen aus aller Welt geehrt werden. In diesem Umfeld wurde die Botschaft des PCFF noch verstärkt: Versöhnung und Frieden beginnen nicht in diplomatischen Kammern, sondern im Mut einzelner Menschen, die bereit sind, einander zuzuhören.
Unser Vorsitzender Felix Krauß fasste das Gespräch so zusammen: „Es ist eine Ehre, euch heute Abend hier zu haben. Euch zuzuhören ist herzzerreißend und herzerwärmend zugleich.“ Gerade in dieser schwierigen Zeit stehen wir hinter PCFF und hoffen, dass ihre kraftvolle Botschaft noch viele weitere Herzen berühren wird, um den Grundstein für gegenseitigen Respekt und authentische Friedensgespräche in diesem langjährigen Konflikt zu legen.





