von Dieter Maier
Der vergessene Nazi Friedrich Schwend

Friedrich Schwend (1906-1980) entging der öffentlichen Aufmerksamkeit, trotz seiner bemerkenswerten kriminellen Karriere als Nazi. 1932 trat er in die NSDAP ein. Er war als SS-Sturmbannführer einer der Organisatoren des „Unternehmen Bernhard“, bei dem KZ-Häftlinge britische und US-amerikanische Banknoten fälschen mussten. Mit diesem Falschgeld kaufte die SS im neutralen Ausland ein; zudem wollte sie die britische Währung destabilisieren. Schwend hatte den Auftrag, das Falschgeld in Umlauf zu bringen. Er nutzt die Gelegenheit, um sich persönlich zu bereichern.
1945 wurde Schwend von den Amerikanern verhaftet und verhört. Einige Zeit lang benutzte der US-Geheimdienst ihn als Informanten. 1946 setzte er sich nach Lateinamerika ab und lebte in Lima, wo er zusammen mit Klaus Barbie, dem nach Bolivien geflohenen GESTAPO-Mann in Lyon, Geschäfte wie Waffen-, Devisen- und Rauschgiftschmuggel tätigte. Andere nach Lateinamerika geflohene Nazi-Verbrecher lebten unter falschen Namen und flogen auf. Adolf Eichmann wurde von Argentinien nach Israel entführt, verurteilt und hingerichtet, Barbie nach Frankreich ausgeliefert, wo er in Haft starb, und Hans-Ulrich Rudel machte in Argentinien Karriere – Schwend blieb unbekannt. Die erste ausführliche Erwähnung war 1980 in Englisch (The Fourth Reich, s.u.).
Nun hat der italienisch-peruanische Autor Gabriel Valle in spanischer Sprache die erste Biografie zu Schwend vorgelegt. Valle schildert in dem Buch einen Geschäftsmann, der ein breites Spektrum von Verbrechen abdeckt: Die Sklavenarbeit der KZ-Häftlinge, ein persönlicher Mord, Unterschlagung, illegaler Kunsthandel, Erpressung, Schmuggel und Devisenvergehen. Wegen seiner illegalen Geschäfte wurde Schwend 1972 von der peruanischen Polizei verhaftet, wobei seine umfangreichen Privatakten beschlagnahmt wurden. Die peruanische Justiz entnahm Dokumente, die für die dortige Elite kompromittierende hätte sein können,- dieser Teil dürfte unwiederbringlich verloren sein. Eine Kopie gelangte auf verschlungenen Wegen ins Hamburger Institut für Sozialforschung, eine weitere ist im Fritz-Bauer-Institut der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Dieses „Schwend-Archiv“ ist die Grundlage für Valles Buch.
Valle referiert große Teile des Schwend-Archivs. Er hält sich mit Interpretationen zurück. Er lässt offen ob ein von Schwend offenkundig für publizistische Zwecke erstelltes Protokoll eines Treffens von Mitgliedern der angeblichen NS-Organisation ODESSA (die es nie gab) echt ist. (Der mexikanische Autor Carlos Maza hält es für echt.) Valle ergänzt die Informationen aus dem Schwend-Archiv durch eigene Recherchen in Südtirol, wo die Gruppe um Schwend ihren Stützpunkt hatte, und in Peru. Es ist das Verdienst seines Buches, diese Bandbreite abzudecken. Schwends Leben ist der NS-Staat im Kleinformat: Das große Verbrechen der Judenvernichtung und die vielen kleinen, die damit einhergingen.
Valle schrieb sein Buch, um ein Vorhaben seines plötzlich verstorbenen peruanischen Freundes Felipe Burstein zu verwirklichen. Burstein hatte kein Manuskript hinterlassen, aber Teile des Schwend-Archivs und eigene Recherchen, darunter Dokumente aus den USA (Gespräch Dieter Maier mit Burstein am 16.10.2025 in Oberbozen).
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Parallel zu Valle arbeitete der mexikanische Autor Carlos Maza im Auftrag von Bursteins Freunden mit demselben Ausgangsmaterial an einer Schwend-Biografie, die der ansonsten renommierte Verlag Planeta (Peru) in einer frühen, verstümmelten Form und ohne Wissen des Autors auf den Markt brachte. Maza protestierte heftig und stellte seinen authentischen Text ins Netz: https://calleneptuno.wordpress.com/wp-content/uploads/2022/01/burstein-maza-fritz-en-santa-clara-v2.2.pdf
Das verstümmelte Maza-Buch gibt als Autoren Felipe Burstein und Carlos Maza an. Titel: Un vecino ejemplar (dt: Ein musterhafter Nachbar). Es ist ebenfalls im Netz verfügbar:
Weitere Literatur:
Burger, Adolf: Des Teufels Werkstatt: Die größte Geldfälscheraktion der Weltgeschichte. Berlin: Verlag Neues Leben 1985 (mehrere Neuauflagen)
Linklater, Magnus; Hilton, Isabel; Ascherson, Neal: The Fourth Reich: Klaus Barbie and the neo-Fascist connection, London: Hodder and Stoughton 1984
s.a. Dieter Maier: ODESSA: Arbeit am Mythos, auf https://www.menschenrechte.org/de/2010/06/14/odessa-arbeit-am-mythos/



