Die Rechtsprechung des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes

18. Juli 2012 | Von | Kategorie: Rezensionen

Burgorgue-Larsen, Laurence / Úbeda de Torres, Amaya: The Inter-American Court of Human Rights – Case Law and Commentary, Oxford University Press, 2011

Der Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte ist zusammen mit dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einer der wichtigsten Hüter der Menschenrechte. 1979 in Costa Rica eröffnet, hat er in den vergangenen Jahren wesentlich zur Stärkung der Menschenrechte in Lateinamerika beigetragen. Nach Art. 1 des Statuts des Inter-Amerikanischen Gerichtshofes ist seine Hauptaufgabe die Anwendung und Auslegung der Amerikanischen Menschenrechtskonvention. Auch wenn eine direkte Anrufung des Gerichtshofes, anders als beim Europäischen Gerichtshof seit Inkrafttreten des 11. Zusatzprotokolls 1998, durch Individuen nicht möglich ist, hat der Gerichtshof viele wichtige Entscheidungen bezüglich willkürlicher Freiheitsentziehung, Folter sowie der Verletzung von Regeln des fairen Verfahrens gefällt. Insbesondere die Entscheidungen über das gewaltsame Verschwindenlassen von Personen und der Umgang mit Amnestiegesetzen haben zu einer bedeutenden rechtlichen Weiterentwicklung dieser Probleme im internationalen Bereich beigetragen. Aufgrund dieser Bedeutung des Inter-Amerikanischen Gerichtshofes über den lateinamerikanischen Raum hinaus überrascht es, dass erst 2011 der erste ausführliche Kommentar zur Rechtsprechungspraxis des Gerichtshofs erschienen ist.

Burgorgue-Larsen und Úbeda de Torres legen ein umfangreiches Werk vor, in dem sie hauptsächlich an Hand der Rechtsprechung der vergangenen 25 Jahre, aber auch unter Bezugnahme auf die zahlreichen Reformprozesse, prozessrechtliche und materiell-rechtliche Fragen des Gerichtshofes erörtern. Der erste Teil beschäftigt sich mit Fragen des Prozessrechtes wie beispielsweise der Rechtsstellung der Opfer vor dem Gerichtshof, dem Recht auf vorläufige Maßnahmen oder möglichen Schadensersatzansprüchen, und gibt so eine gute Übersicht über Schwierigkeiten und Möglichkeiten die bei der Durchsetzung von Rechten vor dem Gerichtshof auftreten können. Dabei werden nicht nur die Eckpfeiler der Entscheidungen dargestellt, sondern auch die Entwicklung bestimmter Rechte nachgezeichnet, wie beispielsweise der Beteiligungsrechte von Opfern. Der zweite Abschnitt behandelt die materiellen Rechte. Dabei orientiert sich der Kommentar in erster Linie an der Rechtsprechung des Gerichtshofes und nicht an den in der Amerikanischen Menschenrechtskonvention festgeschriebenen Rechten. Dies ist insoweit konsequent, als dem Verschwindenlassen von Personen ein eigenes Kapitel gewidmet wird, obwohl die Amerikanische Menschenrechskonvention kein ausdrückliches Verbot gegen das Verschwindenlassen enthält. Fälle des Verschwindenlassens waren nicht nur Gegenstand der ersten Urteile, die der Gerichtshof gesprochen hat, sondern stellen bis heute einen wesentlichen Teil seiner vor allem auch international beachteten Rechtsprechung dar. Allerdings ist die Analyse der einzelnen durch den Gerichtshof gewährten Rechte auf die wichtigsten Aspekte beschränkt, was aufgrund der Bandbreite der abgedeckten Rechte angemessen ist. Als Vertiefungsmöglichkeit sind am Ende der Kapitel Literaturhinweise angehängt. Den Kapiteln wird zur Veranschaulichung jeweils ein Auszug aus einem Präzedenzfall vorangestellt, dennoch sind die Entscheidungen nach sehr subjektiven Kriterien ausgewählt und für ein Verständnis der Rechtsprechungspraxis nicht wirklich notwendig.

Insgesamt ist es begrüßenswert, dass die mittlerweile durchaus beachtliche Rechtsprechung des Inter-Amerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte endlich systematisch in einem Band aufbereitet wurde. Wenn man sich von der manchmal umständlichen Ausdrucksweise der Autorinnen nicht abschrecken lässt, eignet sich das Buch durchaus als Standardwerk für jeden, der sich tiefergehend mit dem Inter-Amerikanischen Gerichtshof und seiner Rechtssprechungspraxis beschäftigen will.

Nina Schniederjahn

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