Brigitte Hamm: Menschenrechte Ein Grundlagenbuch

13. Januar 2005 | Von | Kategorie: Rezensionen

Verlag Leske und Budrich

Die vorliegende Einführung für Politikwissenschaftler und für die politische Bildungsarbeit setzt im weiten Feld der Menschenrechtsarbeit Schwerpunkte:

  • Begründung und Einsatz für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte,
  • Nichtregierungsorganisationen (vor allem von Frauen)
  • Ständiger Internationaler Strafgerichtshof.

In Kombination mit dieser politischen Orientierung will die Autorin “Menschenrechte aus einer politikwissenschaftlichen Sicht einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen”. Sie tut dies mit guten, selbsterarbeiteten Übersichten und Schaubildern, das Buch ist didaktisch gelungen, auch eine ausführliche Literatur- und Internet-Adressenliste fehlen nicht. Zudem ist der Text nicht nur parteiisch wie die Menschenrechte an sich es sind; er ist stärker als andere Einführungen an den Menschenrechtsbewegungen und an den Opfern von Menschenrechtsverletzungen orientiert. Hamm geht von Menschen im Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung aus, Menschenrechte werden als Schutz für und als Option von benachteiligten Gruppen, von “vulnerable Groups” verstanden: Ältere Menschen, Kinder, Landarbeiter, Arbeitslose und Arme, Migranten und Migrantinnen. Die Autorin selbst ist der Frauenmenschenrechtsbewegung verpflichtet. Aus einem vor allem in den westlichen Frauenbewegungen entwickelten Postulat der Untrennbarkeit von privater und politischer Sphäre heraus kritisiert Hamm auch die Definition der Menschenrechte als nur durch den Staat verletzbar und nur durch Staaten garantierbar. Gerade die Begrenzung auf die öffentliche Sphäre ist problematisch: “Über viele Jahrezehnte hinweg mussten Frauen gegen ihre Ausblendung aus der Menschenrechtsidee kämpfen, weil Menschenrechte ursprünglich nur auf staatliche Vergehen im öffentlich Raum bezogen waren.” (S.58)

Ein weiteres in den letzten Jahren wichtig gewordenes Thema der Menschenrechtsarbeit ist der Anspruch, auch die Privatwirtschaft auf die Einhaltung gerade der WSK-Menschenrechte zu verpflichten, denn vielfach bedrohen die Geschäftspraktiken der Transnationalen Konzerne (TNKs) die ökologischen und kulturellen Lebensgrundlagen der betroffenen Menschen.

Keine allgemeine Darstellung der Menschenrechte kommt um eine Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Folgen von Terrorismus herum. Hamm setzt dem Anti-Terror-Kampf, vor allem wenn er als Kampf der Kulturen geführt wird, eine globale Menschenrechtspolitik entgegen: “Mit den Menschenrechten wird die politische Gerechtigkeit für unsere Zukunft normativ definiert.” S. 147) Dem Terrorismus wird der Nährboden entzogen, wenn die Menschenrechte die Richtschur für eine gerechtere globale Sozialordnung werden. Ob da soziale, demokratische und liberale Gerechtigkeitsutopien nicht doch die (Wieder)-Verwurzelung der Menschen in kulturellen und religiösen Lebensentwürfen unterschätzen, durch die sie, in Kombination mit Ausbeutung und Erniedrigung, ansprechbar werden z.B. für radikale Islamisten?

Etwas oberflächlich scheint mir die Bezugnahme auf strittige Theorie-Themen wie Weltethos und Pflichtendiskussion sowie die Auseinandersetzung mit Habermas: Seine Positionen werden umstandslos in die idealistische Politik-Theorie eingeordnet. Wie differenziert er sich auf Kant (der philosophische Idealismus taugt im Übrigen wenig zum Verständnis der politikwissenschaftlich so genannten Theorie “Idealismus”), zeigt sich in seinem Essay ….Dort finden sich Argumentationen, die die Habermas-Lektüre von Brigitte Hamm im Hinblick auf sein Verständnis der Rolle von Nationalstaaten und seine Zugehörigkeit zum “Idealismus” doch fragwürdig erscheinen lassen. Ärgerlich ist schließlich die Unterstellung, er würde mit seiner kosmopolitischen Position die Einzelstaaten der armen Länder aus ihrer Pflicht entlassen. Habermas übergeht durchaus nicht die Faktizität der Nationalstaaten, er betont sogar ihre Unersetzlichkeit für Bürger- und Menschenrechte. Denn der Schutz der Individuen in der bürgerlichen Gesellschaft ist an ihren Bürgerstatus gebunden.

Dennoch: Ich kenne keine derart kurze und doch auch auf das Ganze gehende Bewertung der Menschenrechte, die zugleich zum Engagement motiviert..

Brigitte Hamm ist Mitarbeiterin des Duisburger Institutes für Entwicklung und Frieden (INEF) das Professor Nuscheler leitet. Sie hat als Referentin an der Nürnberger Menschenrechtstagung 1999 teilgenommen.

Brigitte Hamm

Menschenrechte Ein Grundlagenbuch
Verlag Leske und Budrich

Otto Böhm

Schlagworte: ,

Kommentare sind geschlossen