Kolumbianischer Jurist Rodrigo Uprimny Yepes zu Gast im Nürnberger Menschenrechtszentrum

30. September 2013 | Von | Kategorie: Aktuelles

Von Johana Franz Palacios

Uprimny

Am 16. September 2013 hatte das Nürnberger Menschenrechtszentrum den kolumbianischen Juristen Rodrigo Uprimny Yepes zu Gast. Rodrigo Uprimny ist Direktor des Forschungszentrums DeJusticia für Menschenrechte und einer der profiliertesten Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien. Im Gespräch mit dem NMRZ konzentrierte er sich auf die menschenrechtlichen Probleme, die bei den seit 2012 laufenden Friedensgesprächen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerillabewegung FARC-EP, die seit 1964 einen bewaffneten Kampf führen, zu lösen sind. Das kolumbianische Parlament hat dazu einen „Rechtsrahmen für den Frieden“ (marco jurídico para la paz) verabschiedet, der dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorliegt.

Rodrigo Uprimny eröffnete seinen Vortrag mit den Fragen ‚Warum ist der Frieden gerade jetzt möglich?‘ und ‚Warum ist der Frieden so schwer zu schließen?‘. Nach der klassischen Konfliktlösungstheorie ist Frieden dann realistisch, wenn die Schmerzgrenzen beider Parteien erreicht sind und somit ein „schmerzhaftes Gleichgewicht“ entsteht. Nach Uprimnys Einschätzung ist diese Situation in Kolumbien insofern erreicht, als sowohl die linke Guerillabewegung als auch die Regierung einsehen mussten, dass sie langfristig bzw. kurzfristig den Krieg nicht gewinnen können. Eine Einigung in den Friedensgesprächen sei somit im Moment eine realistische Möglichkeit.

Der Jurist ging im Weiteren auf die Probleme ein, die dem Prozess der Friedensfindung im Wege stehen. Als solche nannte er zum einen Kräfte im Land, die keinen Frieden wollen (Spoiler), zum anderen substantielle Probleme, die dem Konflikt zugrunde liegen, vor allem die Agrarfrage. Als noch schwerwiegender sah Uprimny aber das Problem an, die Rechte der Opfer und die von den FARC verlangten Rechtsgarantien in Einklang zu bringen. Nach den anerkannten Normen des heutigen menschenrechtlichen Völkerrechts haben die Opfer ein Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung. Die Guerillabewegung ist jedoch der Meinung, dass das internationale Recht für sie nicht in Frage kommt und verlangt eine Einschränkung der staatlichen Pflicht zur Verfolgung. Wie Uprimny erläuterte, sind in Kolumbien derzeit eine Reihe von Lösungsansätzen für dieses Dilemma in der Diskussion. So sieht etwa der „Rechtsrahmen für Frieden“ vor, bei der Strafverfolgung Prioritäten zu setzen und sich auf diejenigen Täter zu konzentrieren, die die größte Verantwortung tragen. Eine weitere heftig diskutierte Option ist, die Gefängnisstrafen der Verurteilten zu suspendieren, sofern sie ihre Schuld bekennen und Garantien bestehen, dass sie ihre Verbrechen nicht wiederholen. Diese und andere Vorschläge werden derzeit in verschiedenen Varianten und Kombinationen in Kolumbien sowohl vor Gericht als auch in Politik und Medien ausgiebig diskutiert. Noch konnten sich die Parteien nicht einigen, unter anderem weil viele Opfer und Menschenrechtsverteidiger gegen Einschränkungen der staatlichen Verfolgungspflicht protestieren.

Uprimny sprach sich für eine Balance zwischen den verschiedenen Ansprüchen aus, die soweit als möglich die Rechte der Opfer berücksichtigt, aber auch der Guerilla die für ein Niederlegen der Waffen nötigen Garantien gibt. Eine baldige Einigung sei unbedingt nötig, betonte der Jurist, denn die derzeitigen Gespräche seien für lange Zeit die letzte Möglichkeit für Frieden in Kolumbien. Aber auch über den Fall Kolumbiens hinaus seien die derzeitigen Friedensgespräche und die um das Verhältnis von menschenrechtlichen Strafansprüchen und Konzessionen im Interesse eines Friedensschluss von wegweisender Bedeutung. Darauf habe auch die frühere Hochkommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen, Louise Arbour, die derzeit Präsidentin der „International Crisis Group“ ist, hingewiesen.

Im Rahmen des einstündigen Gesprächs vermittelte Herr Uprimny einen profunden Einblick in die juristischen Hürden des Friedensprozesses in Kolumbien. Das Nürnberger Menschenrechtszentrum bedankt sich für den Besuch von Rodrigo Uprimny Yepes und den Anstoß über das Verhältnis von Konfliktlösungsstrategien und menschenrechtlichen Garantien weiter nachzudenken.

Zum Weiterlesen:
Intervención marco jurídico para la paz
Stellungnahme von Rodrigo Uprimny vor dem Verfassungsgerichtshof zum „Rechtsrahmen für den Frieden“ (Spanisch)

Transitional Justice and Colombia’s Peace Talks
Bericht der International Crisis Group (60 Seiten, Englisch) vom 29. August 2013

“Hablar solo de cárcel es simplista y provocador”
Interview mit Louise Arbour, Revista SEMANA 7.9.2013 (Spanisch)

Kommentare sind geschlossen