Fact Sheet
Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung
Nach Angaben des Kinderhilfswerkes der Vereinten Nationen UNICEF und der WHO haben weltweit über 664 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Gleichzeitig verfügt mit über 2,4 Milliarden Menschen ein Drittel der Weltbevölkerung über keine angemessene Sanitärversorgung. An den daraus resultierenden Krankheiten sterben jedes Jahr mehr Kinder als an Malaria, Masern und AIDS zusammen.
Zahlen, die verdeutlichen, dass die Gewährleistung der Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit gehört. Dies spiegelt sich auch in den 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen wieder. Bis 2030 sollen demnach alle Menschen einen sicheren und adäquaten Zugang zu Wasser und Sanitäranlagen haben (Ziel 6). Um dieses ambitionierte Ziel auch zu erreichen, wird es vor allem nötig sein, die allgemeine Armut und Ungleichheit als Hauptursachen der unzureichenden Versorgung an Wasser und Sanitäreinrichtungen zu bekämpfen.
Wo sind die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung völkerrechtlich verankert?
Die Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung leiten sich aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) und verschiedenen Menschenrechtsabkommen ab. Als Schlüsseldokument gilt der Internationale Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (UN-Sozialpakt) von 1966, welcher seit 1976 in Kraft ist. Obwohl die Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung weder in der AEMR noch dem UN-Sozialpakt eine explizite Erwähnung finden, gelten sie als völkerrechtlich anerkannt. So bestätigte der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte in seinem Allgemeinen Kommentar (Nr. 15) 2002, dass das Recht auf Wasser und Sanitärversorgung auf Art. 11 (angemessener Lebensstandard) und Art. 12 (Gesundheit) des UN-Sozialpaktes beruht. Die von der UN-Generalversammlung und dem UN-Menschenrechtsrat seit 2010 verabschiedeten Resolutionen, in denen die Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung nochmals ausdrücklich als Menschenrechte ausgewiesen werden, verdeutlichen die hohe menschenrechtliche Bedeutung. Ein im Jahr 2013 in Kraft getretenes Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt ermöglicht individuelle Beschwerden bei Verletzungen der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte.
Was beinhalten die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung?
Die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung sollen jedem Menschen freien Zugang zu einer angemessenen Wasser- und Sanitärversorgung gewährleisten. Inhaltlich lassen sich die Rechte anhand von fünf Kriterien genauer bestimmen:
(1) Verfügbarkeit: Wasser muss jedem Menschen für den persönlichen und häuslichen Gebrauch ständig und ausreichend zur Verfügung stehen. Ebenso muss eine ausreichende sanitäre Versorgung gewährleistet werden.
(2) Qualität: Der Gebrauch von Wasser und sanitären Einrichtungen darf keine Gesundheitsbedrohung darstellen und muss sowohl hygienisch als auch technisch sicher sein.
(3) Zugänglichkeit im Sinne von Erreichbarkeit: Der gefahrenlose Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung muss jederzeit ausnahmslos allen Menschen, gerade auch Frauen, in angemessener Reichweite gewährleistet werden.
(4) Zugänglichkeit im Sinne von Erschwinglichkeit: Der Zugang zu Wasser und Sanitärversorgung muss für jeden wirtschaftlich erschwinglich sein. Die Kosten dürfen nicht die Verwirklichung anderer Menschenrechte beeinträchtigen.
(5) Annehmbarkeit: Die Wasser- und Sanitärversorgung muss sozial und kulturell – und auch aus Genderperspektive – annehmbar und akzeptabel sein.
Welche staatlichen Pflichten ergeben sich aus den Menschenrechten auf Wasser und Sanitärversorgung?
Aus den Menschenrechten auf Wasser und Sanitärversorgung lassen sich für die Staaten, als Hauptverantwortliche zur Umsetzung der Menschenrechte, einzelne Pflichten ableiten. Die „menschenrechtliche Pflichtentrias“ untergliedert sich dabei in Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten.
Achtungspflichten: Die Staaten müssen das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung achten. So dürfen sie niemanden, ob direkt oder indirekt, an der Inanspruchnahme dieses Rechts hindern.
Schutzpflichten: Die Staaten müssen Maßnahmen ergreifen, die Dritte (z.B. Unternehmen der Privatwirtschaft) daran hindern, in das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung eines jeden Menschen einzugreifen. Im Falle von Privatsierungen bedarf es entsprechender Regulierung und Kontrolle.
Gewährleistungspflichten: Die Staaten sind verpflichtet, fortschreitend aktiv Maßnahmen zu ergreifen, die die vollständige Umsetzung des Menschenrechts auf Wasser und Sanitärversorgung zum Ziel haben. Dies muss unter Ausschöpfung aller ihnen zur Verfügung stehenden Mittel geschehen.
Was sind „extraterritoriale“ Staatenpflichten?
Staaten tragen die Hauptverantwortung für die Umsetzung der Menschenrechte. Die damit einhergehenden Pflichten enden aber nicht an den eigenen Grenzen. So stehen Staaten als international handelnde Akteure in einer von Globalisierung geprägten Welt auch gegenüber Personen außerhalb ihrer Grenzen menschenrechtlich in der Pflicht, sobald der jeweilige Staat Kontrolle über oder Einfluss auf Situationen hat, die Menschenrechte potentiell verletzen könnten. Dies schließt auch die gegenseitige Unterstützung von Staaten untereinander ein, das Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung zu verwirklichen und zu achten. Des Weiteren darf ein Staat weder direkt noch indirekt das Menschenrecht in anderen Ländern verletzen.
Einige internationale Mechanismen zur Stärkung der Rechte auf Wasser und Sanitärversorgung
Die Umsetzung des UN-Sozialpaktes, von dem sich unter anderem die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung ableiten, wird durch den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte überwacht. Zudem fördert seit 2008 der UN-Sonderberichterstatter zum Recht auf Wasser und Sanitärversorgung als unabhängiger Experte die Stärkung des Menschenrechts.
Julian Nardmann, März 2016
Weiterführende Literatur und Links
Amnesty International/ COHRE: HakiZetu. ESC rights in Practice: The Right to Adequate Water and Sanitation, Amsterdam 2010.
Krennerich, Michael: Soziale Menschenrechte – Zwischen Recht und Politik, Schwalbach/Ts. 2013.
UN Special Rapporteur on the human right to safe drinking water and sanitation: Realising the human rights to water and sanitation: A Handbook by the UN Special Rapporteur Catarina de Alburquerque, Portugal 2014.
Winkler, Inga: Lebenselixier und letztes Tabu. Die Menschenrechte auf Wasser und Sanitärversorgung, Berlin: Deutsches Institut für Menschenrechte 2011.
Winkler, Inga: The Human Right to Water: Significance, Legal Status and Implications for Water Allocation, Oxford: Hard Publishing 2012.
www.ohchr.org/EN/Issues/WaterAndSanitation/SRWater: UN-Sonderberichterstatter zum Menschenrecht auf Wasser und Sanitärversorgung.
www.menschenrecht-wasser-umsetzen.de
www.right2water.eu