UN-Hochkommissar schlägt Alarm: Menschenrechte müssen Richtschnur bleiben!

2. März 2017 | Von | Kategorie: Aktuelles

Zu Eröffnung der Frühjahrssitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen hielt Hochkommissar Zeid Ra’ad Al Hussein am 27. Februar eine Brandrede, in der er die elementare Bedeutung der Menschenrechte für alle Menschen und die Pflicht aller Staaten, sie zu achten und zu schützen hervorhob. Man könne nicht tatenlos zusehen, wenn rücksichtslose politische Profiteure sie beiseite schöben.

Hier eine inoffizielle Übersetzung dieser notwendigen Rede von Hannah Riemann.

 

Für die politischen Akteure, die wie einst in den Tagen des Völkerbunds das multilaterale System bedrohen oder die Intention haben sich Teilen dessen zu entziehen, sollten die Alarmglocken der geschichtlichen Erfahrung laut und klar zu hören sein. Wir werden nicht untätig daneben stehen. Wir haben viel zu verlieren, viel zu schützen. Und unsere Rechte, die Rechte anderer, die Zukunft unseres Planeten können nicht und dürfen nicht durch diese rücksichtslosen politischen Profiteure über Bord geworfen werden. – Aussage des UN-Hochkommissars für Menschenrechten Zeid Ra’ad Al Hussein bei der Eröffnungszeremonie der 34. Sitzung des Menschenrechtsrats in Genf, Schweiz, 27. Februar 2017

 „Nur wenige hundert Meter  von hier wurde der Völkerbund am 8. April 1946 endgültig und offiziell aufgelöst. Abgesehen von manchen Erfolgen, war er durch militärische Aggressionen, die Abwesenheit der USA und den Rückzug Deutschlands, Italiens, Japans und der USSR blockiert. Die Aufarbeitung des Kolonialismus war durch die Ablehnung des Prinzips der Nicht-Diskriminierung untergraben.

Als Reaktion darauf haben die Autoren der Charta der Vereinten Nationen das Prinzip der Nicht-Diskriminierung im zweiten Absatz der Präambel benannt.

Wir, die Völker der Vereinten Nationen haben geschworen, „unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen“. Diese Zusage wurde direkt nach dem Beschluss „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ gemacht – bevor sich die Charta dem  Frieden und der Sicherheit und bevor sie sich dem Ziel der Entwicklung widmet.

Dies zu verstehen ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt. Menschenrechte wurden in der Präambel der UN-Charter nicht als letzte oder dritte Säule oder als literarische Verzierung platziert. Sie waren dort, sie standen als Erstes; Menschenrechte wurden als der notwendige Beginn für einen neuen Zustand betrachtet. Denn am 26. Juni 1945, dem Tag der Unterzeichnung der Charta, war gerade erst das Töten in einem Ausmaß, wie es dem Menschen bis dahin nicht bekannt war, zu Ende gegangen; Zertrümmerte Städte weltweit, immer noch rauchend als Monumente der riesengroßen menschlichen Bosheit und Dummheit.

Die Delegationen verstanden, dass erst durch die Anerkennung der fundamentalen Menschenrechte alles Andere – dauerhafter Frieden und Erfolg in dessen Stärkung – möglich werden. Es ist ein Punkt, der auch heute noch – vielleicht gerade heute –, von den vielen politischen Akteuren, die Menschenrechte nur als ermüdende Einschränkung sehen –  oder gerade den Leuten, die seit ihrer Geburt viele dieser Rechte genießen und einfach nicht realisieren wie viel diese bedeuten, übernommen werden muss.

Wenn ein Staat einem Menschenrechtsvertrag zustimmt, diese Verpflichtungen in seiner Verfassung und seinem innerstaatlichen Recht verankert und implementiert, dann wird mit der Zeit der durchschnittliche Bürger – der individuelle Träger dieser Rechte – diese als selbstverständlich betrachten. Es ist wie das Atmen der Luft. Man denkt nicht tausende Male am Tag über die Notwendigkeit des Einatmens von Sauerstoff nach – auch wenn die Existenz von jedermann davon abhängt, bei jedem Atemzug.

Genauso wird dem Einzelnen erst klar und deutlich, wie notwendig diese Rechte für eine bedeutsame und würdevolle Existenz sind, wenn sie über einen längeren Zeitraum nicht gewährt werden.

Für politische Führer, die heutzutage Kampagnen gegen die universellen Menschenrechte führen oder damit drohen, aus internationalen und regionalen Verträgen auszutreten, welche diese Rechte hochhalten, wäre es sinnvoll sich zu klarzumachen, was die Welt in den letzten sieben Jahrzehnten alles zustande gebracht hat – und was wir alle verlieren würden, wenn diese Drohungen es erreichen, die universellen Menschenrechte zu entkräften.

Nach der Gründung der UNO wurden bahnbrechende multilaterale rechtsbasierte Verträge verhandelt und verabschiedet: die Vierte Genfer Konvention, die Flüchtlings-Konvention und die beiden großen internationalen Pakte, welche zusammen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte das Grundgesetz der Menschenrechte („Bill of Rights“) formen.

Die beiden Menschenrechtspakte wurden neben weiteren grundlegenden internationalen Menschenrechtsverträgen und deren Vertragsausschüssen erarbeitet, um eine breite Palette ziviler, politischer, ökonomischer, sozialer und kultureller Rechte zu schützen. Um Verbote gegen Folter, gewaltsames Verschwindenlassen, Rassendiskriminierung, die Diskriminierung von Frauen zu stärken. Sie wahren Kinderrechte, die Rechte von Wanderarbeitern und Personen mit Behinderung.

Heutzutage werden die Menschenrechte von diesem Menschenrechtsrat mit seinen unabhängigen Experten und dem Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahren gestärkt.

Mein Amt, das mit regionalen und nationalen Institutionen und der Zivilgesellschaft auf allen Ebenen zusammenarbeitet, verknüpft alles zusammen in einem System – ein einzelner Bezugspunkt, in welchem wir mit den internationalen Menschenrechtsgesetzen als normativem Rahmen auf die Förderung und Sicherung der Menschenrechte aller Menschen verweisen, überall.

Aber was bedeutet das eigentlich für alle Menschen weltweit? Was folgt daraus? Denn schon vor dem Zweiten Weltkrieg waren in einer Reihe von Ländern bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden: die Abschaffung der Sklaverei, die Ausweitung des allgemeinen Wahlrechts und der Rechte des Arbeitnehmers; das Ende des Gebrauchs der Todesstrafe, und die Begrenzung der Grausamkeiten des Krieges. Und dennoch hat der Zweite Weltkrieg alles zerstört – fast. Denn das Licht des Fortschritts konnte nicht gelöscht werden, es wuchs in den darauffolgenden sieben Jahrzenten wieder; seine Dynamik wurde sogar strker. Kolonialismus wurde beendet, Segregation und Apartheid beseitigt. Umfassende diktatorische Herrschaften wurden gekippt, und die Rechte einer unabhängigen und freien Presse wieder geltend gemacht. Soziale Schutzvorkehrungen wurden gestärkt. Neben Frauenrechten traten auch Kinderrechte, die Rechte indigener Völker, der LGBT-Gemeinschaft und vieler weiterer in den Vordergrund – alle entschlossen sich von Diskriminierung und Ungerechtigkeit zu befreien.

Seit Transportmöglichkeiten Entfernungen schrumpfen ließen, das Reisen vereinfachten und Leute sich in einem noch nie gesehenen Ausmaß bewegten und vermischten, wurde ebenfalls klar: die Menschheit ist unteilbar.

Ohne die Verpflichtung auf die grundlegenden Menschenrechte, die Würde und den Wert des Menschen, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, wird unsere Welt ein Ort des Chaos, Elends und Krieges werden.

Von all den nach dem Krieg erreichten Leistungen, ist gerade die Durchsetzung der Universalität der Menschrechten am beachtenswertesten.

Heutzutage weiß eine immer größer werdende Anzahl von Menschen, dass Folter unter allen Umständen verboten ist. Dass willkürliche Verhaftung und Inhaftierung, die Verweigerung eines ordnungsgemäßen Prozesses, die Unterdrückung friedlicher Proteste und der freien Meinungsäußerung – inklusive der Rolle der Presse –  Verletzungen der Rechte sind. Sie wissen, dass sie ein Recht auf Entwicklung, auf anständiges Essen, Wasser, Gesundheit, Wohnen, Bildung und vielem mehr haben.

Die Menschen wissen es. Sie kennen die “Würde und den Wert jedes einzelnen Menschen“.

Die beispiellosen Märsche am 21. Januar diesen Jahres waren nicht, so glaube ich, an eine bestimmte Person oder Regierung gerichtet – auch wenn es viele so sehen. Ich glaube diese Märsche waren für die Rechte der Frauen, deren Menschenrechte, für uns alle, für eine faire und all-umfassende Menschheit. Ich war stolz darauf, dass Mitglieder meines Personals daran teilnahmen. Wir müssen uns für die Menschenrechte einsetzen. Wenn die Menschen vollkommen verstehen, dass sie Rechte haben, ist es nahezu unmöglich, sie dies vergessen zu lassen.

Für die politischen Akteure, die wie einst in den Tagen des Völkerbunds das multilaterale System bedrohen oder die Intention haben sich Teilen dessen zu entziehen, sollten die Sirenen der geschichtlichen Erfahrung laut und klar zu hören sein. Wir werden nicht untätig daneben stehen. Wir haben viel zu verlieren, viel zu schützen. Und unsere Rechte, die Rechte anderer, die Zukunft unseres Planeten können nicht und dürfen nicht durch diese rücksichtslosen politischen Profiteure über Bord geworfen werden.

Ich rufe Sie dazu auf die Rechte aller zu wahren und uns hierbei zur Seite zu stehen!“

ENDE

Bildquelle: http://www.ohchr.org/EN/AboutUs/Pages/HighCommissioner.aspx

 

 

 

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