Malaysische Menschenrechtsaktivistin und ehemalige NMRZ-Praktikantin in Kuala Lumpur verurteilt

28. März 2017 | Von | Kategorie: Menschenrechte verstehen

Am 22. März 2017 wurde die malaysische Menschenrechtsaktivistin und ehemalige Praktikantin des NMRZ, Lena Hendry, in Kuala Lumpur für die Vorführung der Dokumentation “No Fire Zone – The Killing Fields of Sri Lanka” zu einer Geldstrafe von umgerechnet 2000 Euro oder einem Jahr Gefängnis verurteilt. Über ihren Anwalt ließ sie mitteilen, die Geldstrafe umgehend zu zahlen.

Bereits im September 2013 wurde Lena Hendry angeklagt. Ihr wurde vorgeworfen mit der Vorführung der preisgekrönten Dokumentation gegen Abschnitt 6 des „Film Censorship Act“ von 2002 zu verstoßen. Demnach ist die Verbreitung,  der Vertrieb, die Vorführung, die Produktion, der Verkauf sowie der Verleih von Filmen jeglicher Art ohne die vorherige Zustimmung der staatlichen Zensurbehörde verboten. Lena Hendry drohte ein Haftstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe in Höhe von umgerechnet bis zu 6300 Euro. Der Dokumentarfilm spielte eine wichtige Rolle dabei, Menschenrechtsverletzungen, welche gegen Ende des Bürgerkrieges in Sri Lanka 2009 von der sri-lankischen Armee begangen wurden, aufzudecken.

Im Dezember 2015 musste sich Lena Hendry erstmals in Kuala Lumpur vor Gericht für die Vorführung des Films verantworten. Die Menschenrechtsorganisation KOMAS, für welche Lena Hendry tätig ist, setzte sich damals zusammen mit Unterstützern aus aller Welt mit der Kampagne „In Defence of Lena Hendry“ dafür ein, die Vorwürfe fallen zu lassen. Am 10. März wurde Lena Hendry vorerst freigesprochen, da die Staatsanwaltschaft es nicht geschafft hatte, einen „prima facie“ Sachverhalt gegen sie vorzubringen.

KOMAS verurteilt die aktuelle Entscheidung als Verstoß gegen die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, welche in Artikel 10 der Malaysischen Verfassung verankert sind. Es sei unverständlich, dass ein Menschenrechtsverteidiger dafür verurteilt wird, Bewusstsein für Menschenrechtsverletzungen zu schaffen. Das Urteil werde sich zudem auf zukünftige Filmvorführungen auswirken.

Lena Hendry setzt sich seit vielen Jahren für die Menschenrechte in ihrer Heimat Malaysia ein. Seit 2009 war sie unter anderem als Koordinatorin des Anti-Diskriminierungsprogramms der Organisation Pusat KOMAS (Komunikasi Masyarakat, dt.: Öffentliche Kommunikation) tätig, die sich für die Förderung der Menschenrechte durch „kreative Medien“ in Malaysia einsetzt. Lena Hendry ist zudem Mitbegründerin und Organisatorin des Freedom Film Fest in Kuala Lumpur, das seit 2003 jährlich Filme zeigt und prämiert, welche menschenrechtliche Themen und Menschenrechtsverletzungen aufgreifen. Umso unverständlicher ist es, dass Lena nun für die Vorführung eines Films verurteilt wurde.

 

Hintergrund: Zur Menschenrechtslage in Malaysia

Malaysia ist nicht nur bei Touristen ein beliebtes Ziel, auch für ausländische Investoren ist das Land attraktiv. Im United Nations Human Development Index 2015 belegt Malaysia den 62. Platz (von insgesamt 188, an dritter Stelle unter den ASEAN-Ländern nach Singapur und Brunei). Malaysia ist offiziell eine föderale, parlamentarische Wahlmonarchie, weist in der Praxis jedoch deutliche autoritäre Züge auf. Dies wird nicht nur durch die vergleichsweise schwache Stellung des Parlaments und die starke Stellung des Premierministers deutlich, sondern auch durch eine Reihe umstrittener Sicherheits- und Medienkontrollgesetze.

Immer wieder kommt es zu Einschränkungen der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie eben im Fall von Lena Hendry. Ebenfalls betroffen ist hiervon die Presse. Eine kritische Presseberichterstattung wird durch ordnungspolitische Maßnahmen reglementiert und vielfach unterbunden. Besonders davon betroffen sind islamkritische Äußerungen. Sowohl nationalen als auch internationalen Presseorganen wird mit dem Entzug der Lizenz gedroht, Journalisten werden häufig mit dem Vorwurf der Verleumdung zum Schweigen gebracht. Die NGO Reporter ohne Grenzen listet Malaysia auf Platz 146 von 180 in ihrer Rangliste der Pressefreiheit. (Siehe hierzu: https://www.reporter-ohne-grenzen.de/malaysia/)

Darüberhinaus existieren Gesetze, die es den örtlichen Sicherheitskräften erlauben, Verdächtige ohne richterliche Überprüfung in Haft zu nehmen. Dabei handelt es sich um den Internal Security Act, die Emergency Public Order and Prevention of Crime Ordinance sowie den Dangerous Drugs Act – Special Preventative Measures Act. Angewendet werden diese vor allem gegen Oppositionelle und Anhänger verbotener islamischer Glaubensgemeinschaften. Zudem werden immer wieder Fälle von Folter und Misshandlung von inhaftierten oder in Polizeigewahrsam genommenen Personen bekannt.

Problematisch ist zudem die Lage Homo- oder Transsexueller in Malaysia. das Thema LGBTIQ*[1] gilt in Malaysia als Tabu und unvereinbar mit islamischen Werten. Homosexuelle Handlungen werden mit bis zu 20 Jahren Haft oder Auspeitschung bestraft – auch wenn die Beweise dafür unzureichend sind.

 

Menschenrechtsarbeit stärken

Die Verurteilung von Lena ist ein aktuelles Beispiel für eine Politik, die die Bürger- und Menschenrechte der malaysischen Bevölkerung mit Füßen tritt. Systematisch wird die Meinungsfreiheit untergraben, in dem die Arbeit von Journalisten behindert wird oder in dem kritische Filme nur mit vorheriger Zustimmung der nationalen Zensurbehörde gezeigt werden dürfen. Umso wichtiger ist die Arbeit von Menschenrechtsaktivisten, wie Lena Hendry und ihrer Organisation KOMAS, die auf solche Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen und beispielsweise durch das jährlich stattfindende Freedom Film Fest in Malaysia das Bewusstsein in der Bevölkerung schärfen. Das NMRZ unterstützt Lena Hendry weiter in ihrer Arbeit.

Von Alice Speck

 

[1] Die Abkürzung LGBTIQ* steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender, Intersexual, Questioning Das Sternchen bedeutet, dass diese Aufzählung nicht abschließend ist.

Chronologie des Falls Lena Hendry: http://komas.org/chronology-of-the-case-of-lena-hendry/

Pressestatement KOMAS: http://komas.org/press-statement-for-immediate-release-lena-hendrys-conviction-and-fined-rm10000-unjust/

 

 

Kommentare sind geschlossen