Freiheit und Sicherheit für Dogan Akhanli!

21. August 2017 | Von | Kategorie: Aktuelles

Granada, 19. August 2017

Die spanische Polizei nimmt den deutschen Schriftsteller und Menschenrechtsaktivisten Dogan Akhanli fest. Grund ist ein Haftbefehl der türkischen Justiz, den diese mit Hilfe von Interpol international durchzusetzen versucht. Am Sonntag 20. August wurde Dogan aus der Polizeihaft entlassen, allerdings unter der Auflage sich bis zur Entscheidung über seinen Fall in Madrid aufzuhalten. Das kann Monate dauern.

Wer ist Dogan Akhanli? 1957 in der Türkei geboren, musste Dogan wegen seiner Opposition gegen die Militärdiktatur fliehen und lebt seit 1992 in Köln. Er hat mehrere Romane und Theaterstücke veröffentlicht und in Köln die von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ geförderte „Raphael-Lemkin-Bibliothek“ und das Kölner Menschenrechtszentrum mitgegründet. In seinen Werken setzt er sich unter anderem mit dem Völkermord an den Armeniern und mit der Repression in der heutigen Türkei auseinander. Sanft aber hartnäckig setzt er sich für Demokratie, Menschenrechte und Versöhnung ein. Das Regime der Türkei kann in einem solchen Menschen nur einen Feind erblicken. 2010, als er seinen todkranken Vater in der Türkei besuchen wollte, wurde er verhaftet und mit absurden Anklagen vor Gericht gestellt. Während er im Gefängnis saß, starb sein Vater, er konnte ihn nicht einmal beerdigen. Das NMRZ berichtete damals über diese Justizfarce und setzte sich für seine Freilassung ein (https://www.menschenrechte.org/lang/de/aktuelles/dogan-akhanli und https://www.menschenrechte.org/lang/de/aktuelles/prozess-gegen-dogan-akhanli). Nach einem halben Jahr wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen, der Prozess ging jedoch weiter und endete im Oktober 2011 mit einem Freispruch. Das Regime ließ aber nicht locker und erreichte 2013 in einem Revisionsprozess die Aufhebung des Freispruchs. Seitdem verfolgt die Türkei Dogan Akhanli, der keine türkische Staatsbürgerschaft mehr besitzt.

Auf Antrag der Türkei hat ihn Interpol auf die „Rote Liste“ gesetzt. Alle Mitgliedsstaaten von Interpol sind damit aufgefordert, eine solche Person festzunehmen und gegebenenfalls auszuliefern. Sie müssen dies aber nicht tun. Wie Dogans Anwalt Ilias Uyar mitteilte, war dieser in jüngerer Zeit ohne Probleme in verschiedenen EU-Staaten auf Reisen. Warum dagegen die spanische Polizei der türkischen Regierung zu Diensten ist, ist eine der Fragen, die Spanien rasch beantworten sollte. Und selbst wenn sich Spanien durch die „Rote Liste“ von Interpol zum Handeln verpflichtet fühlt, ist eine Inhaftierung bis zur Klärung der von vornherein zweifelhaften Vorwürfe nicht zwingend, zumal wenn die Türkei einen Angehörigen eines Drittstaates, wie im Fall des deutschen Staatsbürgers Dogan Akhanli verfolgt. Zu klären ist schließlich, ob den deutschen Behörden bekannt war, dass Dogan von der Türkei über Interpol gesucht wurde, und wenn ja, ob sie ihn gewarnt haben und sich bei Interpol um die Klärung des Falls bemüht haben.

 

Dogan Akhanli im März 2010 in Berlin bei der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ anlässlich der Vorstellung des Buches „Human Rights and History“

Krefeld, August 2017

Seit 2011 bis heute lebt in der nordrhein-westfälischen Stadt der Arzt Hartmut Hopp unbehelligt. Er gehörte zu den obersten Führungsfiguren der kriminellen „Colonia Dignidad“ in Chile, die dort hundertfachen Kindsmissbrauch, Folter und Mord an Gegnern der Militärdiktatur von General Pinochet begingen, mit langjähriger Duldung auch der deutschen Botschaft. Hopp wurde 2011 wegen Kindesmissbrauch in Chile zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Der Haft in Chile entzog sich Hopp durch die Flucht nach Deutschland, im Wissen, dass Deutschland nach Art. 16 des Grundgesetzes keine Staatsbürger an fremde Regierungen ausliefert. Als Alternative sieht das internationale Recht vor, dass der Heimatstaat dann die Strafe selbst vollzieht, sofern sie in einem rechtsförmigen Verfahren ausgesprochen worden ist. Dies haben die deutschen Justizbehörden im Fall Hopp über Jahre geprüft. Im August 2017 ist das Landgericht Krefeld endlich zur Überzeugung gelangt, dass das chilenische Urteil von 2011 gegen Hopp in Deutschland vollstreckt werden kann. Der Beschluss ist jedoch noch nicht rechtskräftig, der Arzt der Folterkolonie ist weiterhin auf freiem Fuß. Gelegentliche Ermittlungen der deutschen Justiz aufgrund von Strafanzeigen gegen Hopp haben bisher zu keinem Prozess geführt.

Interpol darf nicht der verlängerte Arm von Willkürregimen sein

Die beiden Fälle sind juristisch nicht vergleichbar. Die Strafvollstreckung im Herkunftsland ist etwas anderes als die Festnahme zwecks Auslieferung. Wenn aber ein nach allem Anschein unschuldiger deutscher Bürger auf Antrag eines Willkürregimes in einem EU-Land festgenommen wird, während ein anderer deutscher Bürger, der rechtskräftig von der Justiz eines demokratischen Staates verurteilt ist, viele Jahre frei herumläuft, ist etwas faul an der internationalen Strafverfolgung. Offensichtlich genügt es, dass irgendein Willkürherrscher ohne plausible Begründung einen ihm unliebsamen Menschen bei Interpol auf die Rote Liste setzen lässt, damit diese internationale Institution ihn ungeprüft zur Fahndung ausschreibt und ein Staat wie Spanien dann willfährig, wieder ohne Plausibilitätsprüfung, sich zum Handlanger solcher willkürlichen Verfolgung macht.

Die Bundesregierung hat sich rasch für die Freilassung von Dogan eingesetzt und auch die missbräuchlichen Vorgehensweisen der türkischen Regierung klar benannt. Wir erwarten nun von der Bundesregierung, dass sie sich auch mit aller Entschiedenheit für die Beendigung des Auslieferungsverfahrens und die bedingungslose Freilassung des Menschenrechtsaktivisten Dogan Akhanli einsetzt. Es genügt nicht, dass Dogan nicht mehr hinter Gittern sitzt. Der Zwangsaufenthalt in Madrid stürzt ihn nicht nur in erhebliche Kosten, sondern zerstört auch seine Arbeit in Köln. Dort hat er zuletzt in dem Theaterstück „Istanbul“ am  Kölner Schauspielhaus mitgewirkt, in dem auch die Geschichte seiner eigenen Verfolgung eine Rolle spielt. Auch ohne Gefängnis bleibt Dogan seiner Freiheit beraubt.

Wir fordern die Bundesregierung darüber hinaus auf, dafür zu sorgen, dass sich solche Fälle der missbräuchlichen Instrumentalisierung von Interpol nicht wiederholen können. Eine Reform der Verfahrensweisen bei Interpol ist unumgänglich, um diese Institution auf das zurückzuführen, wofür sie gedacht ist: Verbrechen, nicht Menschenrechtsverteidiger international zu verfolgen.

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