,„Free Gao!“ Bericht über den „Tag des verfolgten Anwalts“ am 24. Januar 2018 in Nürnberg

31. Januar 2018 | Von | Kategorie: Aktuelles

von Regine Schunda

 

Zum Internationalen Tag des verfolgten Anwalts am 24. Januar 2018 zeigte Amnesty International e.V. in Nürnberg einen bewegenden Dokumentarfilm über Gao Zhisheng, einen der bekanntesten Menschenrechtsanwälte Chinas.

Menschenrechtsanwalt Gao – das „Gewissen Chinas“

1964 in einem abgelegenen Dorf in Nordchina geboren und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, avancierte Gao zu einem erfolgreichen Anwalt in Peking. 2001 wurde er vom Justizministerium als einer der zehn besten Anwälte Chinas ausgezeichnet.

Als Anwalt setzte er sich für die Rechte von Menschen ein, die aufgrund von Enteignungen, als Mitglieder christlicher Hauskirchen, als Angehörige der Meditationsschule Falun Gong oder in sonstiger Weise in ihren Menschenrechten verletzt worden sind. Mittellosen Mandanten half Gao auch ohne Honorar.

Das Blatt wendete sich, als er sich in offenen Briefen an die Staatsführung wandte und 2005 öffentlich aus der Kommunistischen Partei austrat. Seine Anwaltslizenz wurde ihm entzogen und seine Kanzlei geschlossen. Er wurde verschleppt, verhaftet und misshandelt, und seine Familie drangsaliert. Seiner Familie gelang 2009 die Flucht; sie erhielt Asyl in den USA. Nach seiner Haftentlassung 2014 stand Gao unter Hausarrest.

Heimlich schrieb Gao Bücher, in denen er für ein gerechteres China plädiert und über seine Zeit als politischer Gefangener berichtet („A China More Just“, in Deutsch „Chinas Hoffnung“, und „Stand Up China 2017 – China’s Hope“).

Der Film im vollbesetzten Kinosaal des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände in Nürnberg brachte dem Publikum das Schicksal des Menschenrechtsanwalts Gao – der als „Gewissen Chinas“ bekannt wurde – auf sehr eindrucksvolle und authentische Weise nahe.

Aktuell ist für Gao die Situation wieder äußerst brisant – seit August 2017 ist er verschwunden, offenbar wird er von den Behörden an einem geheimen Ort festgehalten; es ist zu befürchten, dass ihm wieder Folter und Misshandlung drohen. Nach Presseberichten läuft in China seit mehr als zwei Jahren eine regelrechte Verfolgungswelle gegen Anwälte und Aktivisten.

Die Teilnehmer der Veranstaltung zum Tag des verfolgten Anwalts appellierten daher für die Freilassung von Gao und anderen chinesischen Anwälten, die wegen ihres Engagements für fundamentale Rechte ihrer Mitbürger selbst zur Zielscheibe staatlicher Verfolgung geworden sind.

Der Tag des verfolgten Anwalts ist leider bitter nötig

Leider sind Schicksale wie das von Rechtsanwalt Gao kein Einzelfall – aus diesem Grund wurde vor einigen Jahren von Europäischen Anwaltsvereinigungen der „Tag des verfolgten Anwalts“ ins Leben gerufen, in Erinnerung an neofaschistische Mordanschläge vom 24. Januar 1977 auf eine Anwaltskanzlei in Madrid.

Als Sprecherin der Veranstalter wies Rechtsanwältin Christine Roth in ihrer Rede darauf hin, dass die Juristen zu den Berufsgruppen gehören, die in einem Unrechtsregime am meisten bedroht und verfolgt werden. Dabei sei die freie Advokatur ein Grundpfeiler jedes Rechtsstaates – werden Anwälte an ihrer ordnungsgemäßen Berufsausübung gehindert, dann seien nicht nur sie selbst und ihre Mandanten, sondern auch das Recht an sich in Gefahr.

Sie erinnerte in diesem Zusammenhang auch an den iranischen Menschenrechtsanwalt Abdolfattah Soltani, dem der Internationale Nürnberger Menschenrechtspreis verliehen wurde, und der nach wie vor in Haft sitzt, und an die Massenverhaftungen, auch von Juristen, in der Türkei. Der Tag des verfolgten Anwalts sei daher leider nach wie vor bitter nötig.

Für die Stadt Nürnberg machte Stadtkämmerer Harald Riedel darauf aufmerksam, dass 2018 ein besonderes Jahr für die Menschenrechte sei, weltweit und auch für die Stadt Nürnberg. Vor 70 Jahren verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Vor 25 Jahren begann Nürnbergs Weg zur Stiftung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises.

Menschenrechtsverletzungen öffentlich zu machen und Verfolgten öffentliche Unterstützung zu geben, sei für viele mutige Menschenrechtskämpfer, insbesondere auch Anwälte, häufig die einzige Hoffnung auf Leben und Veränderung – Hoffnung getreu dem Kampfruf in der berühmten „I have a dream“ – Rede von Martin Luther King: „Free at last!“

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