von Nicole Scharrer
Am 5. Dezember 2020 wurde der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis zum zwölften Mal verliehen. Diesmal war alles etwas anders: Anstelle einer großen Verleihung mit Publikum und einer anschließenden Filmvorführung fand die Veranstaltung digital statt – Wohnzimmer statt Tafelhalle. Die Übertragung konnte live via BR-Kulturbühne und BR-Capriccio verfolgt werden.
Wie bereits in den Vorjahren führte auch diesmal Kabarettist und Moderator Christoph Süß durch den Abend. Ein besonderes Highlight war Jazz-Komponistin Rebecca Trescher, die gemeinsam mit dem New Shapes Quartett für jeden der ausgezeichneten Filme ein eigens komponiertes Stück vortrug. Die Filmemacherinnen und -macher wurden jeweils live zugeschaltet, um den Preis offiziell entgegenzunehmen. Abräumer des Abends waren Arkadij Khaet und Mickey Paatszch, die mit “Masel Tov Cocktail” gleich in zwei Kategorien gewannen: Hochschule und Bildung. Der Film zeigt aus der Perspektive des 19-jährigen Dima, wie es ist, als Jude in Deutschland aufzuwachsen. “Warum eigentlich immer Holocaust, warum soll ich nicht mal reden über Gefilte Fisch?”, fragt sich Dima, als er schon wieder von seiner Lehrerin gebeten wird, ein Referat über den Holocaust zu halten und zeigt uns im Laufe der 30 Minuten, mit welchen Vorurteilen und Klischees Dima täglich konfrontiert wird und wie wenig wir eigentlich über jüdisches Leben heute sprechen. “Dieser Film ist ein Glücksfall, erfrischend frech, und hervorragend für Schule und politische Bildung geeignet”, heißt es in der Jurybegründung.
In der Kategorie Non Professional wurde “Just. Another. Month” ausgezeichnet. Darin greifen die beiden Studentinnen Charlotte Weinreich und Rosa-Lena Lange das Thema Periodenarmut auf. Sie begleiten Aktivistinnen in Namibia, die sich für eine Enttabuisierung der Periode einsetzen und eindrucksvoll zeigen, wie wichtig der Zugang zu Hygieneprodukten für die Gewährung grundlegender Menschenrechte wie dem Recht auf Bildung ist.
“Ab 18: Die Tochter von…” gewinnt den Preis in der Kategorie Kurzfilm. Aus der Perspektive von Micaela Verón gewinnen wir einen Einblick in die Geschichte ihrer Mutter Marita Verón, eine emanzipierte Freiheitskämpferin und Frauenrechtlerin, die vor über 20 Jahren von Menschenhändlern in Argentinien verschleppt wurde und bis heute als verschwunden gilt. Gleichzeitig erfahren wir, wie es ist, immer als “die Tochter von…” bezeichnet zu werden und wie Micaela Halt in der feministischen Bewegung Argentinien findet.
In der Kategorie Langfilm gewinnen Waad al-Kateab und Edward Watts mit “Für Sama”. Über einen Zeitraum von fünf Jahren nimmt uns die Filmemacherin mit nach Aleppo und zeigt uns aus nächster Nähe, was sie, ihre Familie und die Menschen um sie herum im Krieg erleben. Sie widmet den Film ihrer Tochter Sama, die ihre ersten beiden Lebensjahre inmitten der Gewalt und Bomben erlebt. Es ist “ein Film, der wehtut und den jeder in der Welt sehen muss, auch wenn es teilweise nicht auszuhalten ist”, urteilt die Jury.
Die Geschichten in diesen Filmen schaffen etwas Wichtiges: Sie regen uns zum Nachdenken und Diskutieren an. Wie wichtig das ist, betonte auch NDR-Moderatorin Anja Reschke, die für ein Gespräch zugeschaltet wurde. “Letztendlich erzählen wir Geschichten, um Menschen zu erreichen.” Oft sei es nur eine Szene, die den Menschen besonders im Gedächtnis bleibt, die gleichzeitig aber auch bewirkt, dass wichtige Themen Teil der öffentlichen Debatte werden oder bleiben. Diese Geschichten zeigen die Menschen hinter den oft nur schwer fassbaren Menschenrechtsverletzungen.
Das Nürnberger Menschenrechtszentrum ist Mitveranstalter des Deutschen Menschenrechts-Filmpreises und unterstütze in diesem Jahr die Social-Media-Arbeit. Wer mehr über den Deutschen Menschenrechtsfilmpreis erfahren will oder die Verleihung selbst nochmal sehen will, findet alle Informationen unter https://www.menschenrechts-filmpreis.de/.