von Anja Kirpal
Im November dieses Jahres fand die 23. UN-Klimakonferenz in Bonn statt. Dieses als „Arbeitskonferenz“ deklarierte Treffen sollte an der Umsetzung der im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegten Ziele arbeiten. Den Vorstand der Konferenz bildete in diesem Jahr der Inselstaat Fidschi, welcher einen der pazifischen Inselstaaten darstellt, der aller Wahrscheinlichkeit nach stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein wird. Denn besonders den Bewohnern der pazifischen Inseln droht mit dem Anstieg des Meeresspiegels der Verlust ihrer Heimat.
Dass der Klimawandel globale Auswirkungen hat, ist mittlerweile weitestgehend unumstritten. In der öffentlichen Debatte werden indessen die Begriffe „Klimawandel“ und „globale Erwärmung“ meist synonym benutzt. Zwar gibt es einen natürlichen Wandel des Klimas im Laufe der Jahrhunderte, der Klimawandel bezeichnet jedoch eine durch Menschen verursachte Veränderung, vornehmlich durch den industriellen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO2). Dieser führt in erster Linie zu einer globalen Erwärmung der Atmosphäre und auch der Ozeane. Dadurch ergeben sich Veränderungen bezüglich der Niederschläge, der Meeresspiegel steigt und es kommt vermehrt zu Wetterextremen wie beispielsweise starken Stürmen oder Hitzewellen.
Eine bittere Tatsache ist, dass die Menschen, die am stärksten unter den Folgen des Klimawandels und der globalen Erwärmung leiden, gleichzeitig auch die Menschen sind, welche am wenigsten zu dieser Entwicklung beigetragen haben. Darüber hinaus sind die am stärksten Betroffenen auch zusätzlich die Menschen, welche laut dem Index der Weltbank unter der Armutsgrenze leben.
Die Auswirkungen des Klimawandels stellen also für viele Teile der ärmeren Weltbevölkerung eine große Bedrohung dar. Oft fehlt es ohnehin schon an einer konsequenten Umsetzung und Durchsetzung der Menschenrechte für diese Bevölkerungsgruppen, doch durch die Folgen der Veränderung unseres Klimas werden die Rechte dieser Menschen zusätzlich bedroht. In einigen Ländern im südlichen Afrika sind 20-35% der Bevölkerung unterernährt und leiden unter Hunger. Eine Ursache für die Nahrungsmittelknappheit sind Dürren, die Äcker austrocknen und somit für die Landwirtschaft unbrauchbar machen. Die Heinrich-Böll-Stiftung geht davon aus, dass diese ohnehin schon trockenen Gebiete in der Zukunft vermehrt von Dürren betroffen sein werden.
Wie hängen Klimawandel und Wetterextreme zusammen?
Der Klimawandel und die daraus resultierende Erderwärmung führen zu einer Zunahme von Wetterextremen und wetterbedingten Naturkatastrophen. Greenpeace berichtet 2017 von jährlich bereits 25,4 Millionen Menschen, die aufgrund von Naturkatastrophen vertrieben werden. Beispielhaft nennt Greenpeace einige Ereignisse der letzten Jahre: Der überdurchschnittlich starke Monsunregen, der 2010 in Pakistan 11 Millionen Menschen zur Flucht zwang; der Taifun Hayan, der 2013 vier Millionen Menschen auf den Philippinen vertrieb; oder Monsunfluten im Norden Indiens 2012, die 6,9 Millionen Menschen vertrieben.
In der Grafik über Klimakosten wird sichtbar, dass die Anzahl der extremen Wetterereignisse in den letzten zwei Jahrzehnten stetig zunahm:
Führt der Klimawandel zu mehr Migration?
Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration erscheint auf den ersten Blick einfach: Durch Veränderungen des Klimas nehmen, wie beschrieben, Wetterextreme und wetterbedingte Naturkatastrophen zu, was dazu führt, dass Menschen ihre Heimat oder ihre Lebensgrundlage verlieren und einen Ausweg in Migration oder Flucht suchen.
Doch ganz so einfach ist die Situation nicht zu bewerten. Migration aufgrund des Klimawandels kann in den seltensten Fällen so direkt kausal nachgewiesen werden. Vielmehr handelt es sich um komplexe und ineinander verwobene Umstände, welche Menschen in die Flucht oder Migration treiben. In der Analyse der Beweggründe von Migration finden Umweltfaktoren bislang allerdings kaum Beachtung, da sie schwer isoliert von anderen Faktoren gesehen werden können. Eindeutigere Fluchtursachen wie Gewalt und Krieg oder politische Verfolgung stehen jedoch auch immer öfter in Zusammenhang mit klimatischen Veränderungen und Wetterextremem. Wenn aufgrund des Klimawandels der Zugang zu Wasser oder Ressourcen verwehrt wird, können daraus Konflikte oder Kriege resultieren oder bereits Vorhandene weiter vorangetrieben werden. Akute Naturkatastrophen, als auch schleichende Veränderungen der Umwelt können gleichermaßen das Risiko von gewaltsamen Konflikten in instabilen Staaten erhöhen, da diesen oft die Fähigkeit fehlt, angemessen zu reagieren oder sich davon zu erholen. Einige quantitative Studien zeigen beispielhaft die Kausalbeziehung zwischen den Auswirkungen des Klimawandels und Konflikten auf: Caruso, Petrarca und Ricciuti (2014) untersuchten in Indonesien die Konsequenzen von Temperaturveränderungen, welche wiederum Einfluss auf die Reisernten nahmen. Rohreis ist die Haupternte in Indonesien und ein Mangel dessen, kann als Ursache für das Entstehen und Entfachen von Konflikten genannt werden. Die Studie hat im Detail die Verbindung zwischen dem Vorhandensein von Nahrung und Gewalt aufgezeigt.
Außerdem muss bei der Betrachtung von Fluchtursachen bedacht werden, dass es meist die Entscheidung einzelner Personen oder Haushalte ist, was die Untersuchung und das Nachforschen von Ursachen oder Beweggründen noch komplexer gestaltet.
Insofern kann man den Klimawandel zumindest als einen Faktor nennen, der Menschen in die Migration treibt.
An verschiedenen Stellen ist derzeit von ca. 25 Millionen Menschen die Rede, die jährlich aufgrund von Klimaveränderungen fliehen oder migrieren. In den kommenden Jahren soll diese Zahl exponentiell ansteigen. Sicherlich sind diese alarmierenden Zahlen im richtigen Kontext zu betrachten und müssen hinterfragt werden. Denn nur in wenigen Fällen wird die individuelle Migration dokumentiert und so wird es zusätzlich erschwert, die genaue Migrationsursache zu bestimmen.
Führt also der Klimawandel zu einem Anstieg von Migration? In vielen Fällen kann man diese Frage mit einem deutlichen „Ja“ beantworten. Doch trotzdem zeichnen Studien häufig kein eindeutiges Bild. Denn viele Menschen, welche von Auswirkungen des Klimawandels direkt betroffen sind, zählen gleichzeitig zum ärmsten Teil der Weltbevölkerung. Eine Verschlechterung der Umweltbedingungen oder Wetterextreme können die Armut also noch verstärken und somit die Menschen zu Immobilität zwingen. In diesen Situationen führen die Auswirkungen des Klimawandels also nicht zu Migration, da den Menschen schlichtweg die Ressourcen fehlen, welche für eine Flucht oder Migration nötig wären.
Die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffenen Menschen sind also besonders schutzbedürftig. Wenn Klimaveränderungen und Wetterextreme zu Hungersnöten, Stürmen, Fluten oder Dürren führen, können diese Ereignisse die schutzlosen Menschen ihrer elementaren Rechte berauben. Diese wären beispielsweise das Recht aus Wasser, auf Nahrung, auf Gesundheit, auf Bildung, usw. Der Klimawandel und die Migration aufgrund von Klimaereignissen werden somit Teil der Menschenrechtsdebatte.
Was bedeutet der Klimawandel für die Menschenrechte?
Wie bereits erwähnt, sind die Artikel der Menschenrechtskonvention, die im Kontext des Klimawandels in erster Linie betroffen sind, die elementarsten Rechte (wie beispielsweise Wasser, Nahrung, etc.), welche den Menschen in konkreten Fällen dann genommen werden. Mary Robinson, die ehemalige Menschenrechtsbeauftragte der Vereinten Nationen, bezeichnete den Klimawandel als eine große Bedrohung der Menschenrechte und forderte deshalb, diesen aus der Perspektive derer zu betrachten, welche am stärksten betroffen sind. Auch UNHCR bestätigt direkte und indirekte Folgen auf die Umsetzung der Menschenrechte durch Auswirkungen des Klimawandels.
Die kenianische Friedensnobelpreisträgerin und Umweltaktivistin Wangari Maathai sieht in der aktuellen Situation einen entscheidenden Punkt in der Weltgeschichte, an welchem die Menschheit zu einer höheren Moralität finden müsse. Denn der Klimawandel sei unfair: Während reichere Länder gegen einen Anstieg des Meeresspiegels und ausgetrocknete Felder konkrete Maßnahmen unternehmen können, bedrohen Stürme, Hungersnöte und die Zerstörung von Ressourcen das Leben von ärmeren Menschen, welche keine Möglichkeiten haben sich zu schützen, in extremer Weise.
Hier muss allerdings angemerkt werden, dass in dieser Darstellung die Gefahr besteht, ärmere Staaten ausschließlich als Leidtragende zu sehen. Auf diese Weise spräche man ihnen die Handlungs- und Reaktionsfähigkeit ab. Doch das würde nicht der Realität entsprechen. Vielmehr gibt es bereits zahlreiche Beispiele für Projekte und Anpassungsstrategien bezüglich der Auswirkungen des Klimawandels. Die Santa Rosa Region in Guatemala beispielsweise ist immer mehr von starken Wetterschwankungen betroffen. In der Region, die hauptsächlich vom Kaffeeanbau lebt, können die Wetterextreme also den Lebensunterhalt vieler Menschen dort bedrohen. Aus diesem Grund haben einige Kaffeebauern und –bäuerinnen neue Methoden entwickelt, welche den Kaffee wetterfester machen.
Klimawandel und Klimapolitik
Trotz zahlreicher wissenschaftlicher Erkenntnisse fallen die konkreten politischen Gegenmaßnahmen in den Augen von Umweltaktivist*innen verhältnismäßig gering aus. Das Fazit des vergangenen UN-Klimagipfels in Bonn wird von einigen Teilen der Gesellschaft ebenfalls nicht euphorisch bejubelt. Brot für die Welt resümiert: „Wenn wir so weiter verhandeln wie in diesen zwei Wochen in Bonn, wird man die Erderwärmung weder zeitnah noch effektiv auf unter 1,5°C begrenzen. Dann wird es irgendwann heißen: Verhandlungen gelungen, Erde tot!“ (Brot für die Welt 2017). Germanwatch schreibt über die Klimakonferenz COP23 („Conference of the Parties), dass lediglich das erreicht wurde, was dringend erreicht werden musste.
Wie könnte eine Klimapolitik aussehen, die die Menschenrechte beachtet?
Die oberste Maxime wäre auf jeden Fall, dass die notwendigen Maßnahmen zum Umgang mit und zur Vorbeugung des Klimawandels keine Menschenrechte verletzt werden dürfen.
In Überlegungen zu einer menschenrechtsbasierten Klimapolitik verbinden sich zweifellos Menschenrechtsfragen mit Fragen nach Gerechtigkeit. Aus ethischen Gründen fordern Anhänger*innen des Klimagerechtigkeit-Konzepts, dass Solidarität und Gerechtigkeitsaspekte in die Klimapolitik miteinbezogen werden. Denn die Länder des „globalen Südens“ sind am meisten betroffen und haben gleichzeitig am wenigsten zur globalen Erderwärmung beigetragen. Die Länder des „globalen Nordens“ erhalten somit die Verantwortung, einerseits Umweltmigrant*innen aufzunehmen und andererseits auch ihre Emissionen zu verringern beziehungsweise auf erneuerbare Energien umzusteigen.
In Bezug auf Migration müsse es eine Anpassung der Genfer Flüchtlingskonvention geben, welche auch klimatische Veränderungen wie Wetterextreme, Dürren und dadurch veränderte Lebensbedingungen, die zu einer Flucht zwingen, mit beachtet. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) definiert beispielsweise Umweltmigrant*innen als „Personen oder Gruppen von Personen, die aufgrund von plötzlichen oder schleichenden Veränderungen der Umwelt so stark in ihrem Leben und ihren Lebensbedingungen betroffen sind, dass sie ihr gewohntes Lebensumfeld verlassen müssen oder sich zur temporären oder permanenten Migration innerhalb ihres Landes oder im Ausland entscheiden.“ Eine solche Definition könnte also in bestehende Asylgesetze aufgenommen werden, um den betroffenen Menschen einfacher Asyl gewährleisten zu können.
Für die Menschen, welche besonders von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind, ist es wichtig, dass sie ausreichend und frühzeitig Informationen über Folgen und Veränderungen für ihre persönlichen Lebensumstände erhalten.
Das UN-Menschenrechtssystem kann außerdem den Hauptleidtragenden Menschen ein Instrument bieten, ihre Rechte im internationalen Kontext einzufordern.
Der US-amerikanische Bürgerrechtsaktivist Jibreel Khazan, der als Teil der Gruppe „Greensboro Four“ bekannt wurde, die maßgeblich zur Entstehung der Bürgerrechtsbewegung beitrugen, verglich diese damalige Bewegung mit den aktuellen Herausforderungen durch den Klimawandel:
“Climate change is young people’s ‘lunch counter moment’ for the twenty-first century. When my three classmates and I sat down at that lunch counter to end segregation, we did not know what the outcome would be. We simply knew that we had to act. We had to take bold action for necessary change to come about. It is in the tradition of civil and human rights struggle that young people today are calling for action on climate change. It is the biggest threat to justice and opportunity our planet has ever seen.” (Ecowatch 2015).
Quellen:
- Brot für die Welt: Bewertung der Fidschi-COP 23 in Bonn. [online] https://info.brot-fuer-die-welt.de/blog/bewertung-fidschi-cop23-bonn [14.11.17].
- Caruso, Paul/ Petrarca, Ilaria/ Ricciuti, Roberto (2014): Climate Change, Rice Crops and Violence. Evidence from Indonesia. Center for Economic Studies & Ifo Institute: Verona.
- Deteges, Adrien (2017): Climate and Conflict: Reviewing the Statistical Evidence. A summary for policy-makers. Climate Diplomacy, Adelphi, German Federal Foreign Office: Berlin.
- Ecowatch (2015): Climate Change Is Young People’s Lunch Counter Movement. [online] https://www.ecowatch.com/climate-change-is-young-peoples-lunch-counter-moment-1882011458.html [14.11.17].
- Germanwatch (2017): Ein erstes Fazit zur COP23: Klimagipfel bringt Fortschritte und zeigt Deutschland seine Schwächen auf. [online] https://germanwatch.org/de/14763[14.11.17].
- Greenpeace (2017): Klimawandel, Migration und Vertreibung. Die unterschätzte Katastrophe. Universität Hamburg.
- Internationale Organisation für Migration (2017): Migration and Climate Change. [online] https://www.iom.int/migration-and-climate-change-0 [04.12.17].
- Limon, Marc (2009): Human rights and climate change: Constructing a case for political action. Havard Environmental Law Review 439: Harvard.
- Nuscheler, Franz (1997): Globale Herausforderungen am Ende des 20. Jahrhunderts. In: Nuscheler, Franz/ Krotz, Stefan/ Nusser, Karl-Heinz/ Rottländer, Peter (Hg.): Globale Solidarität. Die verschiedenen Kulturen und die Eine Welt. Kohlhammer: Stuttgart.
- Rathgeber, Theodor (2009): Klimawandel verletzt Menschenrechte. Über die Voraussetzungen einer gerechten Klimapolitik. In: Schriften zur Ökologie. Heinrich-Böll-Stiftung Band 6. Berlin.
- Robinson, Mary (2015): Why Climate Change is a threat to Human Rights. [online] https://www.ted.com/talks/mary_robinson_why_climate_change_is_a_threat_to_human_rights [14.11.17].
- Santarius, Tilman (2007): Klimawandel und globale Gerechtigkeit. In: Ökologische Gerechtigkeit. APuZ 24/2007. Bonn.
- Schwarzkopf, Albrecht (2017): Der Klimawandel ist schon da. Drei kluge Anpassungs-Strategien aus Mittelamerika. In: Wo geht’s hin mit dem Klimawandel?. Presente, Bulletin der christlichen Initiative Romero 4/2017: Münster.
- Smith, Dan/ Vivekananda, Janani (2007): A Climate of Conflict. The links between climate change, peace and war. International Alert. London.
- UNHCR (2015): Climate Change is a human rights issue. [online] http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/ClimateChangeHumanRightsIssue.aspx [14.11.17].
- World Food Programme (2017): [online] Hunger in Afrika. http://de.wfp.org/hunger-afrika [04.12.17].
Bildquellen: www.statista.de