Schutzprogramme für gefährdete Personen

20. März 2018 | Von | Kategorie: Menschenrechte verstehen

von Michael Krennerich

 

In vielen Staaten weltweit werden Menschen aufgrund ihres politischen und zivilgesellschaftlichen Engagements diffamiert, bedroht und verfolgt. Betroffen sind davon beispielsweise Personen, welche die Regierung kritisieren, Korruption anprangern, sich für Menschenrechte einsetzen, die Umwelt schützen oder auf andere Weise den Machthabern oder einflussreichen Gruppen im Land nicht genehm sind. Um diese Menschen zu schützen, bedarf es für gewöhnlich grundlegender Veränderungen, die in den Ländern selbst angestoßen werden müssen, aber von außen solidarisch unterstützt werden können. Wichtig ist zum einen auf den Abbau repressiver Gesetze und Praktiken in den jeweiligen Ländern hinzuwirken, zum anderen alle jene Maßnahmen vor Ort zu fördern, die dem Schutz gefährdeter Menschen dienen.

Doch was ist zu tun, wenn Veränderungen ausbleiben und die Bedrohung zu groß wird? Wenn engagierte Menschen in ihrem Land oder auch in der Region nicht hinreichend geschützt werden können? Oder wenn sie ausgezehrt von Schikanen, Diffamierungen und den vielfältigen Belastungen und Gefahren eine Auszeit benötigen, um zu verschnaufen und neue Kräfte zu sammeln? Unabhängig von den herkömmlichen Verfahren des Asyl- und Flüchtlingsschutzes bestehen national wie international etliche Programme, die gefährdete Einzelpersonen in sichere Staaten bringen, auch hierher nach Deutschland.

Einige Programme sind von vergleichsweise kurzer Dauer, ermöglichen gewissermaßen eine Verschnaufpause. Abgesehen von akuten Nothilfen lädt beispielsweise „Reporter ohne Grenzen“ (RoG) gemeinsam mit der „taz Panter Stiftung“ jährlich zwei bis fünf Journalistinnen oder Journalisten aus Krisenregionen für bis zu drei Monate nach Berlin ein. Zudem ermöglicht RoG mit dem Programm „Raum der digitalen Freiheit“ zwei verfolgten Kolleginnen und Kollegen ein zweimonatiges Fortbildungsangebot in Berlin zu digitaler Sicherheit. Darüber hinaus kooperiert die Organisationen mit anderen Schutzprogrammen, etwa mit dem Feuchtwanger Fellowship in der Villa Aurora, dem „Europäischen Zentrum für Presse- und Meinungsfreiheit“ in Leipzig sowie der „Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte“. Die seit 1986 bestehende Hamburger Stiftung vergibt wiederum jährlich fünf Jahresstipendien für politisch Verfolgte, die sich schon länger für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben und nun in der Hansestadt eine Auszeit nehmen.

Schutzprogramme bestehen auch in anderen Städten. So nehmen beispielsweise acht Städte in Deutschland für jeweils bis zu drei Jahre PEN-Stipendiaten auf, die aufgrund ihrer schriftstellerischen, publizistischen oder journalistischen Aktivitäten bedroht und verfolgt werden (Writers in Exile). Seit 2011 gehört auch Nürnberg dazu. Hinzu kommen mit Frankfurt und Hannover zwei Städte, die schon lange in das International Center of Refugee Network (ICORN) eingebunden sind und für ein bis zwei Jahre jeweils eine gefährdete Person aufnehmen, die meist schriftstellerisch oder publizistisch tätig ist. Als hilfreich hat sich hier die Kooperation zwischen Stadt und Kulturpartnern erwiesen. Inzwischen hat sich auch Berlin entschieden, ICORN beizutreten. Zudem legte Berlin im Kulturbereich gerade ein ambitioniertes Fellowship-Programm auf. Es ist allerdings nicht als Rückkehrprogramm angelegt, sondern soll im Sinne eines Brückenprogramms gefährdeten Künstlerinnen und Künstlern mit Hilfe eines Jahresstipendiums ermöglichen, sich in der Hauptstadt eine Existenz aufzubauen und dort als Kulturschaffende dauerhaft zu leben und zu arbeiten. Mit Spannung darf schließlich auch ein großangelegtes Schutzprogramm für Kulturschaffende erwartet werden, welches gegenwärtig das Institut für Auslandsbeziehungen (Ifa) und das Goethe-Institut gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt konzipieren. Die kick-off-Veranstaltung ist für Mai geplant.

Schutzprogramme für Einzelpersonen werfen viele Fragen hinsichtlich der Vergabe und der Betreuung auf, die mit den gefährdeten Personen und ihrem Umfeld gut abgesprochen sein müssen. Damit Stipendiaten von ihrem Aufenthalt in Deutschland profitieren, sind zudem breite gesellschaftliche Unterstützungsnetzwerke vonnöten. Auch ist rechtzeitig zu klären, was nach Stipendienende geschieht. Zumeist hat sich die Bedrohungslage in den Herkunftsländern nicht grundlegend geändert. Selbst bei Auszeitprogrammen, die ausdrücklich auf eine Rückkehr angelegt sind, ist den Stipendiaten die Rückkehr mitunter nicht möglich. Viele Stipendiaten nationaler und internationaler Schutzprogramme erhalten Anschlussstipendien, bemühen sich im Exil eine Lebensgrundlage aufzubauen oder beantragen Asyl. Manche nehmen ein Studium auf. Auch an den Hochschulen gibt es übrigens Schutzprogramme, etwa vermittelt über die Philipp Schwartz-Initiative. Ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zwischen den unterschiedlichen Schutzprogrammen in Deutschland ist bislang nicht institutionalisiert, würde sich aber lohnen.

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