Die Geschichte der Ständigen Menschenrechtsversammlung von Bolivien (Asamblea Permanente de Derechos Humanos de Bolivia – APDHB)

29. Oktober 2020 | Von | Kategorie: Amerika

Über seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Stipendiatenprogramm des Instituts für Auslandsbeziehung (IFA) betreut das NMRZ in diesem Jahr einen Praktikanten aus Bolivien – coronabedingt erstmals und experimentell als „virtuellen Praktikanten“ aus der Ferne. Da unser „Praktikant“ Franco Albarracín in Wahrheit schon ein erfahrener Menschenrechtsaktivist ist, hat sich auch aus der Ferne ein fruchtbarer Austausch ergeben, zumal dieser in die Zeit fällt, in dem Bolivien nach einem Jahr politischer Unsicherheit Neuwahlen erlebt hat, die diesmal eine unangefochtene Mehrheit  ergaben.

Franco Albarracín arbeitet für die Menschenrechtsorganisation Asamblea Permanente de Derechos Humanos de Bolivia – APDHB, die älteste Menschenrechtsorganisation Boliviens und überhaupt eine der ältesten und angesehensten in ganz Lateinamerika. Die Geschichte dieser Organisation, die in den Jahren schlimmer Militärdiktaturen in Bolivien entstand, stellt Franco Albarracín in seinem ersten Beitrag für das NMRZ hier vor – in spanischer Sprache.

Waldo Albarracín (links) und Amparo Carvajal (mitte), eine der Gründerinnen der APDHB

Diese Geschichte der APDHB kann nicht geschrieben werden, ohne auch Waldo Albarracín zu erwähnen, Francos Vater, der 11 Jahre Präsident dieser Menschenrechtsorganisation war, während derer er einmal entführt, gefoltert und fast ermordet wurde. Nach dem Ende der Militärdiktaturen wurde Waldo Albarracín nationaler Ombudsman (Defensor del Pueblo), ein Amt, in dem er sein Engagement als Menschenrechtsverteidiger jetzt mit dem Amtsbonus dieser in Lateinamerika sehr starken Institution fortführte. Da er dies auch nach der Wahl von Evo Morales konsequent weiter tat, kam es zum Konflikt mit dem neuen Präsidenten und seiner Partei dem Movimiento al Socialismo (MAS) ,und Waldo schied im Konflikt aus seinem Amt. Er konzentrierte sich auf seine akademischen Interessen, wurde u.a. Rektor der Nationalen Universität von Bolivien, der Universidad Mayor de San Andrés. Zugleich engagierte er sich in der demokratischen Opposition gegen die immer autoritärere Regierungsform von Morales. Dessen Anhänger zahlten es ihm dann in den Tagen nach der umstrittenen – verfassungswidrigen – Wiederwahl von Morales im November 2019 heim. Sie zündeten sein Haus in La Paz an, in dem seine ganze Familie anwesend war, die sich gerade noch über die Mauer ins Nachbargrundstück retten konnte. Nach dem gewaltsamen Sturz von Evo Morales wurde die ganze Familie massiv bedroht.

Nach der Rückkehr des MAS an die Regierung durch diesmal korrekte Wahlen im Oktober 2020 nahmen sofort die Drohungen und Aggressionen gegen Waldo und die ganze Familie Albarracín wieder zu. Über die asozialen Medien erhalten Franco und Waldo eine Flut von wüsten Beschimpfungen und Mordankündigungen, die sie zwingen, ihre Aktivitäten und ihren Lebensstil strengen Schutzvorkehren unterzuordnen. Amnesty International und Front Line Defenders haben Schutzkampagnen für die beiden Menschenrechtsverteidiger eingeleitet.

Das Nürnberger Menschenrechtszentrum schließt sich den Aufrufen an die neue Regierung Boliviens an, für den Schutz der Familie Albarracín zu sorgen und die Täter der alten Attentate ebenso wie die Verantwortlichen für die jetzige Hetz- und Drohkampagne strafrechtlich zu verfolgen. Franco Albarracíns Text über die Geschichte der Ständigen Menschenrechtsversammlung von Bolivien muss auch auf diesem Hintergrund gelesen werden.

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