Beiträge zum Stichwort ‘ Anne Frank ’

Anne Frank

18. Juni 2004 | Von

von Hermann Glaser

Warum war ich nicht derjenige den das Maschinengewehr niedermähte warum nicht diejenige die in dunkler Straße vergewaltigt wurde warum nicht der Hungernde der scheu hinter dem Hotel in einer Abfalltonne nach Essbarem sucht warum nicht das Kind auf einer Wiese spielend morgen schon deportiert umgebracht warum bin ich derjenige der nun beruhigt in Alpträumen versinkt?

Wen das Schicksal begünstigt hat, wer dem Moloch “Geschichte” auf längere Zeit entronnen ist – wie wir glücklich Überlebenden eines furchtbaren 20. Jahrhunderts -, wer Geschichte mit dem Anschein des Sinnlosen einen Sinn zu geben trachtet, wer also Da-sein trotz allem als Möglichkeit für Hoffnungen begreift, der soll und muss Trauer- wie Erinnerungsarbeit leisten – für diejenigen, denen das Lebensglück, das Glück, leben zu dürfen, zerstört wurde. Nicht durch ein unbestimmbares Schicksal, sondern als Folge der unfassbaren Bosheit von Menschen, hier von deutschen Menschen und ihrer wahnhaften Verblendung.

Die von den amerikanischen Autoren Frances Goodrich und Albert Hackett eingerichtete Bühnenfassung des “Tagebuchs der Anne Frank” – weltweit aufgeführt und allein 1957 mit 1420 Vorstellungen in 44 verschiedenen Inszenierungen das meistgespielte Theaterstück der Bundesrepublik – endet mit der Schlusszeile: “Trotz allem glaube ich noch an das Gute im Menschen.” Die Figur des einzig Überlebenden der Familie, des Vaters Otto Frank, dem bei seiner Rückkehr von Auschwitz nach Amsterdam das gerettete Tagebuch übergeben wurde, spricht über seine Tochter den Nachsatz: “Wie sie mich beschämt.” Von dem “Tagebuch” sollte eine positive Botschaft ausgehen; Otto Frank ging es um internationale Zusammenarbeit, wechselseitiges Verständnis, Toleranz, Bekämpfung des Rassenwahns, Versöhnung. Diese Botschaft ist angekommen und wird auch mit der Nürnberger Ausstellung viele, hoffentlich im Besonderen junge Menschen, erreichen, ergreifen, aufrütteln. “Wie dieses Mädchen uns beschämt” – in einer Zeit, Welt und Gesellschaft, die immer noch dem fern steht, was Albrecht Goes im Vorwort der ersten deutschen Ausgabe des “Tagebuchs” feststellte: “Dieses Buch, das ohne jede falsche Zutat die Wahrheit sagt, nichts als die Wahrheit, die ganze Wahrheit.” Wahrlich eine Geschichte für heute! […]



“Anne Frank. Ein Mädchen aus Deutschland”

18. Juni 2004 | Von

von Gottfried Kößler

“… weil ich noch immer an das innere Gute im Menschen glaube.” (Anne Frank, 15. Juli 1944). Diese Formulierung prägt seit 50 Jahren die Rezeption des Tagebuchs, und sie ist die Grundlage seiner weltweiten Aufnahme in den Kanon der Jugendbücher. Otto Frank, Annes Vater und als überlebendes Familienhaupt für ihren Nachlass verantwortlich, hat aus diesem Glaubenssatz ein pädagogisches Programm gemacht. Der Glaube an das Gute im Menschen als Bildungsziel! Wenn das keine Perspektive ist, um die Schrecken des “Jahrhunderts der Genozide” zu überwinden. […]