Weltregionen

Sind Privatpersonen an die Menschenrechte gebunden? – Vergleich der Verfassungsrechtsprechung in Deutschland, USA und Kolumbien zur Grundrechtseinwirkung im Privatrecht

17. September 2005 | Von

von Anita Fröhlich

Ein Unternehmer weist eine bereits seit längerer Zeit bei ihm beschäftigte türkische Arbeitnehmerin an, es fortan zu unterlassen, während der Arbeit aus religiösen Gründen ein Kopftuch zu tragen. Er begründet das Verbot damit, dass der Betrieb von vielen Geschäftspartnern besucht werde und die Gefahr bestünde, dass diese den Eindruck erhielten, es handele sich um ein türkisches Unternehmen. Die Frau weigert sich, der Weisung Folge zu leisten und wird daraufhin entlassen. Hat der Arbeitgeber die Religionsfreiheit seiner Arbeitnehmerin verletzt? Dies ist nur dann der Fall, wenn sich das Grundrecht auf freie Religionsausübung im Privatrechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber auswirkt. Die damit einhergehende Frage nach der Grundrechtseinwirkung im Privatrecht wird oft unter dem Stichwort Drittwirkung bzw. horizontale Grundrechtswirkung behandelt.

Warum Grundrechtseinwirkung und nicht Menschenrechtseinwirkung? Besteht hier ein Unterschied? Als Grundrechte werden allgemein die durch die Verfassung als solche garantierten Rechte bezeichnet. Menschenrechte sind in internationalen Abkommen enthalten. Wird in diesem Beitrag vermehrt von Grundrechten gesprochen, so liegt das daran, dass er sich mit den nationalen Verfassungen und weniger mit dem internationalen Recht auseinandersetzt. Es sollen aber auch die in internationalen Abkommen enthaltenen und von der Verfassung rezipierten Menschenrechte sowie die von der Verfassung interpretativ abgeleiteten Rechte von dem hier verwendeten Begriff Grundrechte umfasst sein. […]



Chile auf der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit – am Beispiel des Berichtes der Valech-Kommission (1)

20. April 2005 | Von

von Ulrike Borchardt

Dank des langen Kampfes der überlebenden Gefangenen und der Menschenrechtsorganisationen sah sich die chilenische Regierung verpflichtet, die “Nationale Kommission für politische Haft und Folter”, auch “Kommission Valech” genannt, zu gründen. Sie wurde im August 2003 vom sozialistischen Präsidenten Ricardo Lagos eingesetzt. Ihr Auftrag bestand in der Erstellung einer Liste aller Opfer der Pinochet-Diktatur. Auf ihrer Grundlage wollte die Regierung Lagos eine Entschädigung für die Opfer veranlassen. Die Kommission wurde nach dem Namen des Vorsitzenden, des katholischen Bischofs Sergio Valech, benannt. Im Verlauf eines Jahres hörte die Kommission Zeugenaussagen von 35.000 Personen an. Davon wurden 28.000 als Opfer anerkannt. Sie erhalten nach dem Vorschlag der Regierung eine Rente von 195 US$ monatlich sowie die Zusicherung kostenloser Krankenhausbehandlung und des kostenfreien Studiums. Besonders das letzte Zugeständnis – ein kostenloses Studium – erscheint angesichts des heutigen Durchschnittsalters der Opfer – weit über 50 Jahre – etwas seltsam. Aber bevor es an die Kritik einzelner Schlussfolgerungen dieses Berichts geht, erst einmal eine Zusammenfassung seiner wichtigsten Ergebnisse. […]



Kindersoldaten – Unzureichende internationale Bestimmungen, Ansätze zur Eindämmung, und die spezielle Situation in Kolumbien

3. Januar 2005 | Von

von Rainer Huhle

Wo Krieg herrscht, sind Kinder wie alle Menschen Tod, Verletzung und Leid vielerlei Art ausgesetzt. Seit einige Jahren schon sterben in Kolumbien täglich ca. 20 Menschen in Folge des bewaffneten Konflikts. Mindestens einer dieser 20 Menschen täglich ist ein Kind. Als Teil der Zivilbevölkerung sind Kinder Opfer von Tretminen und Bomben, von Luftangriffen und Gewehrkugeln. Mit ihren Familien sind sie auf der Flucht vor Kriegsereignissen und müssen in prekären Elendssiedlungen Schutz suchen. […]



“… vergessen, dass sie zu töten gelernt hatten“. Perus Wege zur Aufarbeitung der Vergangenheit

6. November 2004 | Von

von Rainer Huhle

Im September 2001 begann in Peru eine „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ (im Folgenden auch: CVR) ihre Arbeit. Sie war, einer langjährigen Forderung vieler Menschenrechts- und Opferorganisationen folgend, von Präsident Valentí­n Paniagua am 4. Juni 2001 einberufen worden, der im Jahr zuvor nach dem plötzlichen Zusammenbruch der zehnjährigen Herrschaft von Präsident Alberto Fujimori vom Kongress übergangsweise mit der Regierung beauftragt worden war. Im Decreto Supremo Nº 065-2001-PCM wurden die Aufgaben und Kompetenzen der Kommission festgelegt. Kurz darauf wurde in den ersten freien Wahlen seit 1990 Alejandro Toledo zum Präsidenten gewählt, der in einem neuen Dekret (101-2001-PCM) am 4. September des gleichen Jahres die Kommission erweiterte und ihre Aufgaben bestätigte. […]



Der Fall Herzog, oder: die Militärs bereuen nichts – Brasilien wird von seiner Vergangenheit eingeholt

5. November 2004 | Von

von Heinz F. Dressel

Während uns seit Monaten im Fernsehen die Enttabuisierung der Menschenwürde anhand von Bildern über die Käfighaltung Gefangener in Guantánamo oder von Nacktfotos inhaftierter Irakis in einem US-Militärgefängnis in Bagdad vor Augen geführt wird, erfuhren die Brasilianer einen Erinnerungsschock, als sie am Sonntag, 17. Oktober 2004, die meistgelesene Zeitung ihrer Hauptstadt – den Correio Braziliense – aufschlugen und darin mit einem drei Jahrzehnte alten Nacktfoto eines im Gewahrsam der Militärs befindlichen Häftlings in der Gewalt der “Tiger der Kellers”, wie man seinerzeit die berüchtigten Folterknechte in Uniform auch zu bezeichnen pflegte, konfrontiert wurden. […]



OS ÍNDIOS DO BRASIL ENTRE PROTEÇÃO E CORRUPÇÃO

29. Juli 2004 | Von

Heinz F. Dressel, Julho 2004

Em 2003, ao surgir um governo composto por siglas da esquerda brasileira, recebi uma carta do Brasil, que começou com a frase: “O país está na maior euforia com o novo Presidente.” Também os povos indígenas depositaram sua esperança no “mito Lula”. O entusiasmo dos índios, porém, logo cedeu lugar à perplexidade diante de um clima de desrespeito, de agressividade e de uma onda de ódio e violência contra os povos indígenas em todo o país. Conforme nota publicada por CIMI (6/11/03) a primeira vítima foi Aldo Makuxi, na terra indígena Raposa Serra do Sol/Roraima. “Ele foi covardemente assassinado, no dia 2 de janeiro, por invasores. Logo em seguida tombaram Marcos Veron Guarani Kaiowá, Leopoldo Kaingang, Josenilson José dos Santos Atikum, José Admilson Barbosa da Silva Xukuru. Este foi um processo de violência bem maior do que o ocorrido nos governos anteriores. Nesses dez meses já foram assassinadas 23 lideranças indígenas em todo o país.” […]



BUCH: Erstmalige Veröffentlichung: “Mein ist die Rache”

30. April 2004 | Von

von Friedrich Paul Heller

In diesem Buch ist nichts erfunden. Kleine Irrtümer vor allem im historischen Teil mögen uns unterlaufen sein. Sie sind bei der Materialfülle und der Ungenauigkeit vieler Quellen kaum zu vermeiden. Das einzig Unwahre an dem Buch ist, dass wir die Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts, soweit sie mit der Familie Krasnow in Verbindung stehen, nur unvollständig wiedergegeben habe. Es wäre anders nicht lesbar gewesen.
Ich habe mir die Freiheit genommen, an einigen Stellen mit der gebotenen Distanz nationalsozialistisch eingefärbte Kriegserinnerungen und romanhafte Schilderungen zu zitieren. Diesem Schrifttum, das die deutsche Niederlage von 1945 nicht ertragen kann, ist nicht zu trauen. Dialoge, die wir daraus zitieren, sind gewiss nicht wörtlich so geführt worden. Sie sind Zeugnisse parteiischer Erinnerung. Ich hielte es für einen vorschnellen Verzicht, Berichte reueloser Kriegsteilnehmer auf deutscher Seite und hemmungsloser Antikommunisten, die in Subjektivität schwelgen, im Namen wissenschaftlicher Objektivität aus dem Text zu verbannen. Mein Buch handelt vom Tätern und Opfern. Es muss sich auf die Subjektivität der Täter, ihre Sprache, Motive und Mentalitäten einlassen. […]



Die aktuelle Lage der Menschenrechte und der politischen Gewalt in Kolumbien

16. Januar 2004 | Von

von William Bastidas

Die Vielfältigkeit des Klimas, der kulturelle Reichtum und die großen Schätze an natürlichen Ressourcen gehören zu den Vorzügen Kolumbiens. Paradoxerweise leidet dieses lateinamerikanische Land aber auch an einer nicht enden wollenden Gewalt, die ebenso vielgestaltig ist, wie die Geographie des Landes. […]



Gedenken und Gedenkstätten in Chile

11. September 2003 | Von

von Roberta Bacic

Die Worte kommen stockend während dieser goldenen Herbsttage in der nördlichen Hemisphäre. Jenseits der Meere, in dem Land, das meine Eltern aufnahm und in dem ich geboren wurde, bricht der Frühling strahlend hervor. Seit meiner frühen Kindheit war der September immer ein besonderer Monat. Er erinnert mich an Drachensteigen, Schulferien, Feiertage am 18. und 19. September, den Tagen der Unabhängigkeitsfeiern, Empanadas, Rotwein, Gesang und Cueca-Tanz sowie folkloristische Darbietungen chilenischer Identität. […]



Der Bericht der Wahrheits- und Versöhnungskommission (CVR)

30. August 2003 | Von

von Pilar Arroyo R.P.
Übersetzung: Gisela Gründges-Andraos

Am 28. August stellte die Wahrheits- und Versöhnungskommission dem Land ihren lang erwarteten Bericht über die politische Gewalt zwischen 1980 und 2000 vor. Da der Bericht neun Bände umfasst, hat bisher niemand ausser den Kommissionsmitgliedern den vollständigen Text gelesen. Daher geben wir in diesem Artikel eine Zusammenfassung der Allgemeinen Schlussfolgerungen des Berichtes der CVR (28 Seiten). Ausserdem berichten wir von einigen Kritikpunkten, die gegen den Bericht vorgebracht wurden, sowie von Zustimmung, die der Bericht erhielt. […]