Rezensionen

Die Verteidiger in den Nürnberger Prozessen

7. Dezember 2016 | Von

Über keine Akteursgruppe in den Nürnberger Prozessen ist so wenig bekannt wie über die Verteidiger. Die deutsche Forschung hat sich lange Zeit wenig mit den Verteidigern beschäftigt. Das scheint jetzt endlich anders zu werden. Fast zur gleichen Zeit wurden 2016 zwei Dissertationen über „Nürnberger“ Verteidiger publiziert, die offenbar völlig unabhängig voneinander entstanden sind. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein.



Philippe Sands: East West Street

6. August 2016 | Von

Philippe Sands ist ein englischer Rechtswissenschaftler und Strafverteidiger. Sein leidenschaftliches Interesse an der Geschichte des internationalen Strafrechts hat er des Öfteren bei Veranstaltungen im historischen Gerichtssaal des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg (IMT) bewiesen. Eine Summe seiner Forschungen hat er nun in seinem neuen Buch „East West Street“ vorgelegt. Das Buch sticht aus der Fülle der Literatur über das IMT und die Geschichte des Völkerstrafrechts auf originelle Weise heraus.



Sylvia Karl: Kampf um Rehumanisierung. Die Verschwundenen des Schmutzigen Krieges in Mexiko

29. Oktober 2015 | Von

Im Zentrum dieser anthropologischen Arbeit über das „Verschwindenlassen“ und den Kampf der Angehörigen der „Verschwundenen“ in Mexiko steht die heute allgemein als „Schmutziger Krieg“ bezeichnete Repression sozialer Kämpfe im südlichen Bundesstaat Guerrero in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Sylvia Karl nähert sich dieser bisher vor allem von Historikern und Politologen untersuchten Phase mit einem Forschungsansatz der „anthropologischen Konfliktforschung“.



Nürnberg: Menschheitsverbrechen vor Gericht 1945

15. Oktober 2015 | Von

Thomas Darnstädt, ein erfahrener Journalist des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, gab schon 1996 die Parole „Zurück nach Nürnberg“ aus, damals in Bezug auf den strafrechtlichen Umgang mit Egon Krenz und co (Spiegel 51/1996). Jetzt nimmt er dieses zeitgeschichtliche Stichwort wieder auf und transportiert es aus der Fachöffentlichkeit in die gegenwärtige Auseinandersetzung um die internationale Strafgerechtigkeit. Dabei aktualisiert er die Erinnerung an die NS-Verbrechen gegen die Menschheit am Beispiel derjenigen führenden deutschen Männer, die – bis auf drei – in einem summa summarum fairen Prozess als „War Criminals“ verurteilt wurden. Wer also in das Thema „Nürnberger Prozess“ einsteigen will, dem kann dieses Buch empfohlen werden.
 



Die Entstehung der Menschenrechtserklärung, umfassend dokumentiert

8. Dezember 2014 | Von

The Universal Declaration of Human Rights. The travaux préparatoires, 3 volumes, edited by William A. Schabas, Cambridge University Press 2013

Als in den neunziger Jahren Johannes Morsink sich als erster daran machte, die Entstehungsgeschichte der Universellen Erklärung der Menschenrechte dokumentarisch zu rekonstruieren, blieb ihm nichts andres übrig, als in der Dag Hammarskjöld Bibliothek des New Yorker UNO-Sitzes die Protokolle, Anträge und Beschlüsse der verschiedenen UN-Gremien zu kopieren, die mit der Erklärung zwischen Ende 1945 und dem Tag ihrer Verabschiedung am 10. Dezember 1948 befasst waren.
Ein irisch-englisches Projekt unter Federführung des Völkerrechtlers (und gelernten Historikers) William Schabas stellt uns nun die rund 700 einschlägigen Texte dieser sogenannten „travaux préparatoires“ auf dem Präsentierteller zur Verfügung.



Ein Gedächtnisbuch für die Opfer des Kondors

16. November 2014 | Von

Pina, João: Cóndor, Barcelona (Blume) 2014

Über die “Operación Cóndor”, diesen Verbund der Geheimdienste südamerikanischer Diktaturen, gibt es inzwischen viele wissenschaftliche und journalistische Publikationen. 1975 auf Initiative des chilenischen Geheimdienstchefs Contreras gegründet, verschleppte, folterte und ermordete dieses Netzwerk Oppositionelle in Brasilien, Bolivien, Uruguay, Argentinien, Chile und Paraguay. Mindestens in einem Fall waren auch peruanische Militärs beteiligt (s. den Artikel von Carmen Rosa Cardoza auf https://www.menschenrechte.org/lang/de/lateinamerika/a-desaparicion-forzada-en-el-peru). Der Fund eines Archivs in der paraguayischen Hauptstadt Asunción 1992 durch eines der Opfer der Operation Kondor, den Rechtsanwalt Martín Almada, brachte 1979 erstmals Licht in dieses düstere Netzwerk.



Rezension – Dave Eggers: Der Circle

3. September 2014 | Von

Die digitale Dystopie
Von Philip J. Dingeldey

Seit Kurzem loben so gut wie alle Literaturkritiker Dave Eggers neuen Roman „Der Circle“; die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ tituliert ihn gar – schon reichlich überzogen – als „Roman unserer Epoche“. Das Buch, das für allerlei Furore im Feuilleton, aber auch im politischen Diskurs sorgte, ist eine digitale Dystopie, ein Gegenbild zur Utopie, in der alles transparent, nichts mehr geheim ist – und alles wird von einem monopolistischen Social-Media-Konzern gesteuert. Anlässlich dieses Szenarios forderte Eggers eine neue Erklärung der Menschenrechte – quasi für die Stärkung digitaler Menschenrechte – die nicht nur Privatsphäre, Datenschutz und Post- und Briefgeheimnis beinhaltet. Doch was ist menschenrechtlich dran, an „Der Circle“?



Die Geschichte des Völkerstrafrechts – quergelesen

22. Juni 2014 | Von

Lewis, Mark: The Birth of the New Justice. The Internationalization of Crime and Punishment, 1919-1950, Oxford UP 2014, 346 Seiten

Mit The Birth of the New Justice fügt der US-amerikanische Historiker Mark Lewis der stark anwachsenden Literatur über die Geschichte von Idee und Praxis internationaler Strafgerichtsbarkeit ein eindrucksvolles weiteres Buch hinzu. Dabei schlägt er in acht dichten Kapiteln den Bogen von ersten Entwürfen im neunzehnten Jahrhundert bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Es ist das große Verdienst dieses Buches, dass es gerade die Diskontinuitäten, die Brüche und inneren Widersprüche und nicht zuletzt die politischen Kontingenzen sorgfältig nachzeichnet, die die Entwicklung des Völkerstrafrechts kennzeichnen. Und dennoch, auch dies macht Lewis deutlich, bleiben die jeweiligen Bruchstücke im Gedächtnis, kommen als Referenzpunkte wieder zum Vorschein und verschwinden nicht aus der Geschichte.



Die Schutzverantwortung (R2P)

27. Mai 2014 | Von

Hilpold, Peter (Hrsg.): Die Schutzverantwortung (R2P) – Ein Paradigmenwechsel in der Entwicklung des Internationalen Rechts?, Martinus Nijhoff Publishers, Leiden/Boston, 2013, 360 Seiten

In aktuellen sicherheitspolitischen Themen sorgt ein Kürzel immer wieder für Aufmerksamkeit: R2P, die Responsibility to Protect. Ein Völkerrechtskonzept, das 2001 von der International Commission on Intervention and State Sovereignty erarbeitet und überraschend in das Abschlussdokument des 2005 World Summit der Vereinten Nationen aufgenommen wurde. In seinem Buch beleuchtet Peter Hilpold gemeinsam mit weiteren Autoren das Konzept aus unterschiedlichen Blickwinkeln.



Transitional Justice – ein Modebegriff mit wenig Konturen

10. Mai 2014 | Von

Brants, Chrisje; Hol, Antoine; Siegel, Dina (Hrsg.): Transitional Justice: Images and Memories, Farnham & Burlington (Ashgate Publishing) 2013, 265 Seiten

Der Begriff der „Transitional Justice“, für den es nicht zufällig noch immer kein deutsches Äquivalent gibt, hat seit den neunziger Jahren weltweit eine schier unglaubliche Konjunktur. Wie oft bei solchen begrifflichen Erfolgsgeschichten wird dabei der ursprünglich relativ klar begrenzte Bedeutungsinhalt immer weiter aufgefächert, ergänzt und ausgeweitet. So weit wie die HerausgeberInnen des vorliegenden Bands hat allerdings bisher wohl noch niemand den Terminus „Transitional Justice“ gedehnt.