Alle Beiträge dieses Autors

Transitional Justice – ein Modebegriff mit wenig Konturen

10. Mai 2014 | Von

Brants, Chrisje; Hol, Antoine; Siegel, Dina (Hrsg.): Transitional Justice: Images and Memories, Farnham & Burlington (Ashgate Publishing) 2013, 265 Seiten

Der Begriff der „Transitional Justice“, für den es nicht zufällig noch immer kein deutsches Äquivalent gibt, hat seit den neunziger Jahren weltweit eine schier unglaubliche Konjunktur. Wie oft bei solchen begrifflichen Erfolgsgeschichten wird dabei der ursprünglich relativ klar begrenzte Bedeutungsinhalt immer weiter aufgefächert, ergänzt und ausgeweitet. So weit wie die HerausgeberInnen des vorliegenden Bands hat allerdings bisher wohl noch niemand den Terminus „Transitional Justice“ gedehnt.



Eine neue Biografie von Fritz Bauer

22. April 2014 | Von

Ronen Steinke: „Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht“, Piper-Verlag 2013

Der Jurist und Journalist Ronen Steinke arbeitet in dieser Biografie vor allem mit dokumentierten Gesprächen und zeitgenössischen Stimmen und versucht mit der Lebensgeschichte auch Motive und Widersprüchlichkeiten dieses Mannes zu erklären. Als Jurist mit völkerrechtlichem Schwerpunkt interessiert ihn besonders Bauers Position zur juristischen „Vergangenheitsbewältigung“. Als Journalist schreibt er wie ein zeitgenössischer Reporter, der bei den entscheidenden Situationen jeweils dabei war.



Die Hölle vor Gericht

4. Februar 2014 | Von

Vor 50 Jahren begann der Auschwitz-Prozess

von Otto Böhm

Die wenigen schlimmen Nazis sind verurteilt, die vielen weniger schlimmen müssen wir integrieren und damit einen Schlussstrich ziehen: Diese populäre Maxime Adenauers wurde Ende der 50er Jahre brüchig. 1958 richteten die Innenminister die Ludwigsburger „Zentralstelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen“ ein. Damit dann am 20. Dezember 1963 im Frankfurter Römer der erste große NS-Prozess beginnen konnte, bedurfte es jedoch der Zielstrebigkeit zweier Männer – und des Zufalls.



Justiz und Vergangenheitspolitik in Spanien

18. November 2013 | Von

Tamarit Sumalla, Josep M.: Historical Memory and Criminal Justice in Spain. A Case of Late Transitional Justice, Cambridge/Antwerpen/Portland (Intersentia) 2013, 209 Seiten
Die Suche nach den Massengräbern, die Bemühungen, so etwas wie eine offizielle Wahrheitssuche oder auch Strafverfahren in Gang zu bringen, zahlreiche persönliche Memoiren und zuletzt der Skandal der Tausenden von verschleppten Kindern scheinen die spanische Öffentlichkeit zu bewegen. Josep Tamarit, Strafrechtler und Kriminologe an der Universität Barcelona, sieht darin Zeichen einer späten Phase von „transitional justice“. In seinem Buch durchmisst er in konziser und systematischer Weise, was auf der Ebene von Politik, Justiz und öffentlicher Erinnerungskultur seit dem Ende der Franco-Diktatur mit Blick auf das Erbe dieser Zeit geschehen ist – und was noch zu tun ist.



„Jedes Dokument eine Tragödie, jede Akte ein Mord” – Überlebende des Holocaust schreiben Geschichte

3. August 2013 | Von

Jockusch, Laura: Collect and Record! Jewish Holocaust Documentation in Early Postwar Europe, Oxford/New York: OUP 2012, 320 Seiten
Kempter, Klaus: Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, 423 Seiten

Dass überlebende jüdische Historiker, Schriftsteller und “Zeitzeugen” unter schwierigsten Bedingungen schon während des Weltkriegs und in den Jahren danach Dokumente und Zeugnisse sammelten und publizierten, ist ein noch immer vernachlässigtes Kapitel der NS-Historiographie. Mit Laura Jockuschs profundem Überblick über diese Anstrengung und Klaus Kempters Biografie eines der Protagonisten dieser jüdischen NS-Dokumentationen liegen nun gleich zwei hervorragende Studien zu diesem Thema vor.



NMT – Ein Handbuch zu den Nürnberger Nachfolgeprozessen

23. Juli 2013 | Von

Priemel, Kim C. / Alexa Stiller (Hg.): NMT – Die Nürnberger Militärtribunale zwischen Geschichte, Gerechtigkeit und Rechtschöpfung, Hamburg: Hamburger Edition 2013, 928 Seiten
Die HerausgeberInnen stellen das Buch ausdrücklich „nicht als Anthologie“, sondern als „Gesamtdarstellung, die erstmals eine umfassende, aus den Quellen gearbeitete Analyse aller NMT-Verfahren bietet,“ vor, welches aufgrund seiner Struktur als „Handbuch“ nutzbar sei. In der Tat darf das Werk beanspruchen, gegenüber der vorhandenen Literatur erheblichen Mehrwert zu bieten. Es ist in drei große Teile gegliedert: Zunächst werden die 13 Verfahren einzeln vorgestellt. Im zweiten Teil, überschrieben mit „Hintergründe – Akteure, Recht, Rezeption“ finden sich 9 Essays über zentrale Themen und Fragestellungen der Prozesse. Der dritte Teil schließlich bietet vor allem tabellarische Übersichten.



Internationale Strafgerichtshöfe: Wie kam Deutschland zu seiner neuen Rolle?

23. Juli 2013 | Von

Ronen Steinke: The Politics of International Criminal Law. German perspectives from Nuremberg do the Hague Hart Publishing, Oxford, 2012. 150. S.
Im September 1995 fand in Nürnberg eine Tagung statt, die im Nachhinein als wegweisend bezeichnet werden kann. Der Einladung waren unter anderen Richard Goldstone und Christian Tomuschat gefolgt. Dokumentiert sind die Beiträge in: Rainer Huhle (Hg.): Von Nürnberg nach Den Haag. Menschenrechtsverbrechen vor Gericht – Zur Aktualität des Nürnberger Prozesses (Hamburg 1996). Hinter diesen Titel – damals nicht nur als Wegbeschreibung zum ad-hoc-Jugoslawien-Tribunal , sondern auch als Aufforderung zur Konstitution eines Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes gedacht – werden zunehmend Fragezeichen gesetzt.
Der Jurist und Journalist Ronen Steinke (München) hat dazu jetzt eine knappe Untersuchung vorgelegt und kommt zumindest für Deutschland zu dem Ergebnis: das war kein gradliniger Weg, sondern eher ein “U-Turn”. Seine leitende Fragestellung ist: Wie kam die bundesrepublikanische Völkerrechtspolitik, die den Nürnberger Prozessen ablehnend gegenüberstand, zu ihrem großen Engagement für den IStGH?



Im Schatten des Weltkriegs. Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien

23. Juli 2013 | Von

Alexander Korb: Im Schatten des Weltkriegs. Massengewalt der Ustaša gegen Serben, Juden und Roma in Kroatien 1941-1945, Hamburg: Hamburger Edition 2013, 510 Seiten
Alexander Korbs bereits mehrfach ausgezeichnete Studie über die Gewalt der kroatischen nationalistischen Bewegung der Ustaša während des Zweiten Weltkriegs ist zunächst eine eindrucksvoll recherchierte historische Studie über diese angesichts des Holocaust und der auf die Hauptkriegsschauplätze fokussierten Geschichte des 2. Weltkriegs noch immer vernachlässigte Bewegung und ihre extreme Gewaltausübung. Sie ist aber keineswegs nur für Spezialisten des ehemaligen Jugoslawien von Relevanz.



Elisabeth Käsemann und die studentische Dritte-Welt-Solidarität

8. Juli 2013 | Von

Dorothee Weitbrecht: Aufbruch in die Dritte Welt. Der Internationalismus der Studentenbewegung von 1968 in der Bundesrepublik Deutschland, V & R unipress, Göttingen 2012, 421 Seiten

Diese bisher umfassendste Studie über den internationalistischen Impuls, der die deutsche Studentenbewegung der „Achtundsechziger“ wesentlich mitprägte und mit initiierte, ist nicht nur wegen ihres Inhalts bemerkenswert. Die Autorin hat zum Gegenstand ihres gut lesbaren Buches, das auf ihrer Dissertation im Fach Geschichtswissenschaft an der Universität Eichstätt beruht, einen sehr persönlichen Bezug, den sie in der Einleitung nur kurz benennt. Dorothee Weitbrecht ist die Nichte von Elisabeth Käsemann, der bekanntesten der zahlreichen deutschen und deutschstämmigen Personen, die von der argentinischen Diktatur in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts „verschwunden wurden.“



Robert Falco – französischer Richter im Nürnberger Prozess

2. April 2013 | Von

Robert Falco : Juge à Nuremberg – Souvenirs inédits du procès des criminels nazis, illustrations de Jeanne Falco, préface d’Annette Wieviorka, introduction de Guillaume Mouralis, Nancy : Éditions Arbre Bleu 2012

Robert Falco war der stellvertretende französische Richter im Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. Bei Kriegsende Richter am „Cour de cassation“, dem obersten Gerichtshof Frankreichs, hatte er sich für eine Tätigkeit am Internationalen Militärgerichtshof beworben, dessen Schaffung die Alliierten für den Hauptkriegsverbrecherprozess zu diesem Zeitpunkt planten. Das Justizministeriumschickte Falco zunächst als französischen Vertreter zur Londoner Konferenz, auf der im Sommer 1945 der Prozess vorbereitet und das Statut für den Gerichtshof ausgearbeitet wurden. Nach den Londoner Verhandlungen erfolgte Falcos Ernennung zum stellvertretenden Richter. Dadurch war Falco im Gegensatz zu seinem Landsmann Henri Donnedieu de Vabres bei der Urteilsfindung in Nürnberg zwar selbst nicht stimmberechtigt, nahm aber an allen Besprechungen des Richterkollegiums teil und verfolgte den gesamten Prozess von der Richterbank aus mit. Dies ist umso bemerkenswerter, da Falco damit als einziger Vertreter seines Landes die Vorbereitung und den Ablauf des gesamten Prozesses persönlich miterlebte. Seine tagebuchartig gegliederten Erinnerungen, die offensichtlich auf von ihm angefertigten Notizen basieren, behandeln diesen gesamten Zeitraum, von den Vorbereitungen in London angefangen bis hin zur seiner Abreise aus Nürnberg nach der Urteilsverkündung.